Jenseits des Spiegels
meinem Kopf gegen einen Dickschädel, der meinem in nichts nachstand. Gott, das waren Schmerzen. Ich rieb mir über die Stirn, und ja, meine Überlegungen waren richtig gewesen. Veith hockte neben mir – verwandelt und nackt –, und rieb sich seinerseits die Stirn. Hastig wandte ich mich ab. Das Vergnügen dieses Anblickes hatte ich bereits gehabt, das brauchte ich kein weiteres Mal. Leider bekam ich so Julica zu Gesicht. Auch sie war wieder ein Mensch, und genauso schamlos. Ich war hier unter Nudisten gelandet, mal wieder.
„Geht es wieder?“, fragte Pal besorgt, und stupste mich erneut mit seiner Nase an.
Ich nickte nur, und beschämend wurde mir klar, was ich gerade getan hatte. Ich war vom Baum gefallen, und hatte damit das Mittagessen verscheucht. Verdammt, so viel dazu, dass ich ihnen zeigen würde, was ich alles konnte. Ich konnte vom Baum fallen.
Spitzen Leistung, Talita.
Seufz.
Tyge machte einen Schritt auf mich zu. „Versteh mich nicht falsch, aber ich glaube wir gehen ohne dich jagen, und bringen dir dann etwas mit, in Ordnung?“
Erschrocken fuhr mein Kopf hoch. Sie wollten mich alleine lassen? So wie beim letzten Mal? Nein! Nein, das war nicht in Ordnung, das wollte ich nicht. Es war nur ein kleiner Fehler, ich würde ich nicht wieder machen. Das und noch viel mehr wollte ich ihm sagen, wollte mich rechtfertigen, aber ich biss mir nur auf die Lippe, und nickte nur. Tja, nicht nur dass ich nicht zu ihnen gehörte, und es auch niemals tun würde, ich hatte ihnen auch noch ihr Mittagessen versaut.
„Ich weiß nicht“, sagte Pal dann. „Ich finde nicht, dass wir sie allein lassen sollten …“
Als er das sagte, flog ihm mein Herz zu …
„… nicht nachdem was beim letzten Mal passiert ist.“
… und kam mit einer Vollbremsung wieder zum stehen, um sich äußerst grimmig in meine Brust zurück zu stehlen. Mitleid, na super, darauf konnte ich nun wirklich verzichten. Da war ich einmal ein wenig in Panik geraten, weil ich zwei Leichen gefunden hatte, und dann von etwas Hungrigem verfolgt wurde, und jetzt traute er mir nicht mal mehr zu eine halbe Stunde alleine im Wald zu verbringen. Ich war doch kein Kind mehr.
„Ich bleibe bei ihr“, sagte dann Veith, und brachte mich damit ein weiteres Mal völlig aus dem Konzept. Er wollte hier bleiben? Bei mir? Warum? Was war heute nur mit ihm los? Warum verhielt er sich so seltsam? Das passte alles nicht zu dem Veith, den ich kennengelernt hatte.
„Gib dir keine Mühe, das mache ich schon“, unterbrach Pal meine verwirrten Gedanken. „Mit dir will sie sowieso nicht alleine sein.“
Veith ließ sich von dem Geknurre nicht aus der Ruhe bringen. „Ich …“
„Vergesst es einfach.“ Ich rappelte mich auf die Beine, ohne jemanden dabei anzusehen. „Ich bin kein kleines Kind mehr, ich brauche von keinem von euch Schutz, ich bin auch gestern allein durch diesen Wald gezogen. Nur weil ich aus dem Baum gefallen bin, braucht ihr mich nicht behandeln, als sei ich minderbemittelt. Geht ruhig jagen, wir sehen uns dann hinter den Seidenbändern.“
Falls ich auf euch warten sollte,
fügte ich im Stillen hinzu, und machte einen Satz in den nächsten Baum, ohne ihnen Gelegenheit zu geben, etwas darauf zu erwidern.
Versteh mich nicht falsch, aber ich glaube wir gehen ohne dich jagen.
Weil ich nicht zu ihnen gehörte, weil ich anders war, seltsam in ihren Augen. Aber ich brauchte ihre Zuwendung nicht, nicht auf diese Art, nicht wenn sie dachten, dass ich schwach und hilflos war. Das war ich nämlich nicht.
Ich kletterte höher, sprang in den nächsten Baum, und weigerte mich, einen Blick zurück zu werfen. Ich wusste dass sie mir nicht folgten, ich hörte wie sie in die andere Richtung davonzogen, und das war wohl noch bitterer. Verdammt, wie sie es auch machten, es war falsch.
Bedrückt ließ ich mich auf den Ast sinken, lehnte mich an den Stamm, und ließ die Beine baumeln. Auch wenn ich mir das nicht anmerken ließ, mein Rücken tat immer noch weh. Ich hatte das Gefühl, dass sich da irgendwas in mich reingebohrt hatte, und mir nun in die Lunge drückte. Ich muss wirklich ungünstig gefallen sein. Und das ausgerechnet vor den Augen der Wölfe. Kein Wunder, dass sie mich für ein hilfloses Mädel hielten. Bei meinem letzten Gang mit ihnen, war ich ja auch nicht gerade der Mut in Person gewesen. Aber sah ich wirklich so erbärmlich aus, dass selbst Veith sich bereit erklärte, ein Auge auf mich zu haben? Das kratzte mehr als nur ein bisschen an
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