Jenseits des Spiegels
von mir dachten, wer ich war, oder was die Zukunft für mich bereit hielt. Ich genoss einfach den Moment, und alles andere kam später.
Es machte Spaß, und ich dachte an nichts als den nächsten Takt, den nächsten Schritt, die nächste Drehung, bis ich dann plötzlich jemand bekanntes gegenüberstand, bei dem mein Lächeln gefror.
Veith.
Sein Gesicht war ausdruckslos, abweisend, und doch unterbrach er den Tanz nicht, reichte mir die Hand, und als sie meine Berührte, wurde mir augenblicklich heiß. Plötzlich sah ich ihn wieder vor mir, nackt wie Gott ihn geschaffen hatte, und ich riss erschrocken meine Hand weg. Ich wollte ihn nicht in meiner Nähe haben, nicht so nahe, das löste ein Gefühl von Angst bei mir aus. Warum? Was sollte das? Was war hier los?
Seine Lippen pressten sich ganz leicht aufeinander, als wir einfach nur dastanden, und uns ansahen, und ich glaubte etwas wie Wut in seinem Blick zu erkennen. Weil ich ihn abgewiesen hatte? Weil ich mich in die Feier drängte? Weil ich noch hier war?
Ich musste wieder daran denken, was er gestern Abend zu mir gesagt hatte, wie feindlich er sich mir gegenüber gab, obwohl ich ihm nichts getan hatte, und verstand nicht, warum mein Atem schneller wurde. Dieser Blick mit dem er mich ansah, diese Augen, ich konnte in ihnen nicht lesen. Er war wie ein Buch mit sieben Siegeln, das nicht geöffnet werden wollte, und ich sollte verflucht noch mal aufhören, ihn so anzustarren.
Irgendwann trat er einfach einen Schritt zurück in die Reihe, und Sprang mit einem tiefen Schrei in die Luft. Dieses Geräusch erschreckte mich so sehr, dass ich am ganzen Körper zusammenzuckte, und einen Moment neigte er den Kopf, als fragte er sich, warum ich so reagierte. Oder warum ich nicht das Weite suchte.
Erst als ich von der Seite angestoßen wurde, bemerkte ich, dass ich weiter musste, und machte einen schnellen Schritt zur Seite. Doch irgendwie schaffte ich es nicht, mich richtig auf meinen Tanzpartner zu konzentrieren. Immer wieder sah ich zu Veith, und zu meiner Verwunderung, tat er es mir gleich. Nicht mit dieser misstrauischen Abweisung wie sonst, eher nachdenklich, fragend.
Dann musste ich mich weiter drehen, und sah mich einem anderen Bekannten gegenüber: Fang, Pals Vater, oder wie sie es hier aussprachen, sein Papá.
„Talita.“ Er nickte mir zu, und legte seine Hand an meine. „Du tanzt mit uns.“
„Pal hat mich dazu genötigt.“
Wir wandten uns um, nur um anschließend wieder unsere Hände aneinander zu legen.
„Freunde dich nicht zu sehr mit Pal an. Du weißt dass du gehen musst, und er nimmt sowas immer sehr schwer.“ Er trat zurück in seine Reihe, und sprang, ich wirbelte weiter zum nächsten.
Fang hatte diese Worte nicht böswillig gesprochen, sondern eher so, als würde er sich Sorgen machen. Wahrscheinlich hatte er wie alle anderen auch bereits mitbekommen, dass ich seit gestern Mittag praktisch die ganze Zeit an Pals Rockzipfel hing. War ja auch kein Wunder, schließlich war er der Einzige hier, der mich nicht allein für meine Existenz zu verfluchen schien.
Ich mochte ihn, kam mit ihm klar. Er brachte mich zum Lachen, aber ich glaubte nicht, dass er es allzu schwer nahm, wenn ich morgen abgeschoben wurde. Eigentlich ein ziemlich trauriger Gedanke.
Die restliche Zeit tanzte ich gedankenverloren, was nicht weiter schlimm war, da die anderen nicht wirklich Interesse daran hatten, mit mir zu quatschen, aber dann stand ich nach einer ganzen Runde wieder dem Rotschopf gegenüber.
Er war verschwitz. Seine Haut glänzte im Feuerschein, und als er meine Hand nahm, drückte er sie fest. „Weißt du eigentlich, dass ich diesen gelben Rock, wie du ihn nennst, vor zwei Jahren getragen habe?“
Einen Moment sah ich ihn nur an, einfach nur um zu verarbeiten, was er da gerade gesagt hatte, um einen Sinn dahinter zu bringen. Dann prustete ich los. Pal im Lendenschurz? Daran hatte ich mich mittlerweile gewöhnt, genau wie an die ganzen Brüste, die mir hier vor Augen kamen, aber Pal im Rock? Die Vorstellung allein war so absurd, dass ich einfach nicht anders konnte als zu lachen.
°°°
„Höher!“
„Das geht nicht höher.“ Ich lachte, als ich bei meiner Landung fast umfiel.
„Geht nicht, gibt es nicht, also los, höher!“
Na gut. Ich ging in die Kniebeuge, und sprang so hoch ich konnte. Dabei versuchte ich die Sterne vom Himmel zu pflücken. „Das ist unmöglich, und das weißt du auch.“
„Nur weil es noch niemand geschafft hat,
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