Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jenseits des Spiegels

Jenseits des Spiegels

Titel: Jenseits des Spiegels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Markstoller
Vom Netzwerk:
spürte, wie ich beobachtet wurde, und wandte meinen Blick hastig nach draußen. Doch da war alles ruhig, niemand zu sehen, kein
Es
. Dort kam es auch nicht, sondern von dem Haufen aus Fellen und Leibern, die sich zu einem dichten Knäul auf der anderen Seite der Höhle zusammengerollt hatten. Veith war auch schon wach, und hatte diese unergründlichen Augen auf mich gerichtet, die mich gestern in diesen hohlen Baum gefunden hatten.
    „Danke“, sagte ich, und auf seinen verwirrten Ausdruck hin fügte ich hinzu: „Dafür das du  mich gestern gefunden hast.“
    Da ging ihm ein Licht auf. Ich konnte geradezu sehen, wie die Glühbirne über seinen Kopf aufleuchtete, und ihr Licht die ganze Höhle erhellte. „Vergiss es einfach“, brummte er.
    „Nein, ich will nichts mehr vergessen.“ Ich hatte nur wenige Erinnerungen, und die würde ich so schnell nicht wieder hergeben. „Nie mehr.“ Das hatte ich für ein Leben schon zur Genüge getan.
     
    °°°
     
    Lange dauerte es nicht mehr bis zum Aufbruch. Pal wurde von meinen Worten wach, und weckte mit seinem lautstarken Gähnen, die anderen beiden Schnarchnasen – also eigentlich schnarchte ja nur Domina. Pal verwandelte sich wieder in einen Wolf, Veith wurde erneut vor den Kinderzug gespannt, und nachdem ich meinen dreckigen, aber trockenen Klamotten – dem Lagerfeuer sei Dank – wieder angezogen hatte, machten wir uns auf, das letzte Stück bis nach Sternheim hinter uns zu bringen.
    Den ganzen Weg über war ich leicht nervös, und schaute mich immer wieder um, auch wenn Pal mir versicherte, dass dort draußen nichts lauerte. Der Schreck von gestern saß mir einfach noch zu tief in den Knochen.
    Wir wurden allein von den Klängen des Waldes begleitet. Bäume, Sträucher und Büsche so weit das Auge reichte. Moosige Lichtungen, kleine Grasflächen, Natur Pur. Eigentlich war es hier draußen sehr friedvoll und wunderschön, doch ich konnte die beiden Männer im Wald einfach nicht vergessen. Dieser Anblick hatte sich auf ewig in meine Netzhaut gebrannt. Wie sehr eine so friedliche Idylle doch über die Grausamkeiten hinwegtäuschen konnte, die sie verbarg.
    „Wie lange dauert es denn noch?“, fragte ich irgendwann, als wir bereits seit Wochen unterwegs sein mussten. Okay, es konnten nicht mehr wie zwei Stunden gewesen sein, aber sich die ganze Zeit den Hintern platt zu sitzen, und sich die Gegend anzuschauen, um gewappnet zu sein, falls das Ungeheuer aus einem der Büsche sprang, konnte mit der Zeit ganz schön lang werden lassen. Besonders wenn da kein Ungeheuer kam – nicht dass ich es mir herbeisehnte.
    „Nicht mehr weit“, sagte Pal, der unweit neben mir trottet. „Wir müssen nur noch an den Seidenbändern vorbei, dann sind wir fast da.“
    „Seidenbänder?“
    „Kennst du auch nicht?“
    Wie er das sagte, als wäre ich völlig gehirnamputiert. „Ich weiß was ein Seidenband ist, aber ich verstehe nicht, warum wir daran vorbei müssen. Das ergibt keinen Sinn“, kam es etwas zu schnippig von mir.
    Pal verzog das Gesicht. Sollte wohl ein Stirnrunzeln sein, nur klappte das als Wolf nicht ganz so gut. „Ich glaube, wir reden mal wieder aneinander vorbei.“
    „Nur wenn du etwas anderes meinst als ich.“
    „Genau dort wird das Problem liegen.“
    Und das war es dann auch, wie ich nur Minuten später feststellte. Der Wald vor uns wurde lichter, was aber nicht bedeutete, dass es mehr zu sehen gab. Anstelle der Bäume wuchsen riesige Gräser. Erst nur vereinzelt, dann Büschelweise, und dann standen wir im Wald – also schon wieder. Ein Wald aus Gras, der sich weit über unsere Köpfe dem Himmel entgegenstreckte. Aber es war anders als das, welches ich kannte – von der Größe von bestimmt drei Metern mal abgesehen. Es schimmerte leicht, und wogte wie Wellen, ohne das ein Lüftchen es berührte. Hin und her, hin und her. Huh, dabei konnte man richtig schläfrig werden, besser als Schäfchen zählen.
    Ich beugte mich zur Seite, um sie anzufassen. Weich wie Seide, hauchdünn, und ganz zart. „Das sind die Seidenbänder?“ Bei meiner Berührung, wickelte sich eines dieser Gräser um meinen Arm. Ganz vorsichtig, wie eine Streicheleinheit.
    „Ja, lästige Dinger.“ Auch Pal wurde von ihnen umschlungen. Nicht grob, ganz vorsichtig, und sobald er weiter ging, ließen sie einfach von ihm ab. „Kein Respekt vor Privatsphäre.“
    „Also ich finde sie lustig.“ Einer streckte sich nach meinem Gesicht, und strich darüber. Okay, das Pflanzen sich bewegen

Weitere Kostenlose Bücher