Jerusalem
gar dreihundert Schritte weit.
Sie schossen zweimal, dreimal, dann rissen sie die Pferde herum und galoppierten seitwärts davon. Zwischen ihre Reihen schoben sich andere Reiter mit gespannten Bögen und lösten ihre Schüsse aus. Die Pfeile prasselten, dicht wie Hagel, in die Schilde, prallten von den Helmen ab, verfingen sich in den Maschen der Kettenhemden oder blieben im Leder der Gurte stecken. Sie trafen die Pferde an den Köpfen und an den Schenkeln, bohrten sich tief in die Körper, fielen zwischen den Hufen zu Boden und schlugen in die Schenkel der Reiter. Die Pferde wieherten vor Schmerz, stiegen hoch, keilten aus und warfen ihre Reiter ab, rissen sich los und galoppierten mit Schaum um die Trensen und blutenden Fellen in alle Richtungen. Polternd schlugen die hölzernen Lanzenschäfte gegeneinander, die Berittenen fluchten und schrien, wälzten sich auf dem Boden und versuchten, den Pferdehufen auszuweichen und sich aufzurichten.
An einigen geschützten Stellen gelang es den Rittern, dem ärgsten Pfeilhagel auszuweichen und weiterzugaloppieren. Sie fällten ihre Lanzen, hoben die Schildränder bis unter die Augenschlitze und preschten dröhnend und schreiend auf die Sarazenen zu, stießen sie aus den Sätteln und rammten die Speere in die Körper. Leiber wirbelten durch die Luft und schlugen mit schlenkernden Gliedern zwischen die Läufe ihrer Pferde. Gruppen von drei Dutzend oder mehr Rittern folgten der Fahne ihres ritterlichen Herrn, stoben in wildem Galopp zwischen den fallenden und ausweichenden Sarazenen aus dem Lager und griffen den nächsten größeren Haufen der Bogenschützen an.
Ein weiterer Hagel aus Pfeilen, von links und rechts abgeschossen, ging auf sie nieder; der Ritter neben dem Fahnenträger wurde fast augenblicklich von fünfzehn oder mehr Pfeilen getroffen und sank im Sattel zusammen.
An zehn, dann zwanzig, schließlich vierzig oder fünfzig Stellen, rund um das Lager, gingen die Wolken aus Pfeilen auf die Ritter nieder. Nach zwei oder mehr Dutzend Atemzügen ertönte Bohemunds Gebrüll: »Aus den Sätteln! Rettet die verfluchten Gäule vor den Pfeilen!«
Lärm, Geschrei, Wiehern, Waffenklirren, das sirrende Heulen der Pfeile, das Jammern der waffenlosen Pilger und der Frauen, die Laute von zehntausend Pferden, brechende Lanzen und das zischende Hämmern von Schwertern, die dumpfen Hiebe der Morgensterne und das unaufhörliche Trommeln, das vom Auftreffen und Einschlagen der Geschosse und Waffen auf die Schilde herrührte, alle Laute und Geräusche von hunderttausend Menschen vereinigten sich zu einem misstönenden Malmen, welches das Tal füllte. An hundert und mehr Stellen wurde gekämpft.
Sarazenen ritten in weiten Kreisen um das Lager und sandten unzählbar viele Pfeile zu ihren Zielen. Pferde verendeten, Männer starben, Kreise und Wirbel bildeten sich, und die Kämpfe splitterten sich in zahlreiche Gruppen auf. Die Zahl der Angreifer schien unübersehbar groß zu sein; sie wimmelten wie Ameisen oder Heuschrecken in einem breiten Gürtel um das Lager der Christen, als ob sie die Fremden erwürgen wollten. Noch immer heulten Schwärme und Wolken aus Pfeilen auf die Franken nieder. Mutige Knechte zerrten die Pferde, die störrisch vor Schmerz und in wilder Furcht waren, aus der Kampfzone zurück.
Eine Stunde nach dem ersten Angriff kämpften alle Gepanzerten und Bewaffneten zu Fuß gegen die Sarazenen. Sie versuchten, nicht einen Fußbreit zurückzuweichen. Bohemund ritt als Einziger durch das Lager und brüllte mit Sturmstimme seine Befehle. Die Ritter gehorchten ihm, obwohl seine Befehle klangen wie aus lärmerfüllter Ferne. Einige Pilger wagten sich zwischen den Zelten hervor und trugen die schreienden Verwundeten zurück in die fragwürdige Sicherheit des Lagers. An einigen Stellen, an denen das Schwirren der Bogensehnen und das Surren der Armbrustbolzen leiser wurde oder ganz aufhörte, kämpften die Ritter mit Schild und Schwert gegen die Krummschwerter der Angreifer. Reglose und zuckende Körper lagen auf dem zerwühlten Boden, Blut lief aus tief geschlagenen und gerissenen Wunden.
»Bringt Wasser zu den Kämpfern!«, dröhnte Bohemund.
Die gepanzerten Ritter, geschützt durch ihre Schilde, wüteten mit abgebrochenen Lanzen, Schwertern und Morgensternen unter den Sarazenen, deren Pferde getötet worden waren und die zu Fuß zu kämpfen wagten. An wenigen Stellen gelang es den Bewaffneten, zwischen den Körpern der eigenen Toten einige Dutzend Schritte vorzudringen
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