Joel 4 - Die Reise ans Ende der Welt
bleiben?«
»Ich bin bei der Arbeitsvermittlung für Seeleute gewesen. Ich werde anheuern. Ich kann nicht mehr auf dich warten.« Samuel war still.
»Aha«, sagte er nach einer Weile. »Aha, das hast du getan. «
»Für dich ist es auch noch nicht zu spät.«
Samuel sah ihn nachdenklich an. »Vielleicht nicht«, sagte er. »Vielleicht nicht.«
Sie gingen zurück durch die Stadt. Plötzlich blieb Samuel stehen. »Es tut mir nicht Leid«, sagte er. »Es tut mir nicht Leid, was ich zu Jenny gesagt habe. Das musst du verstehen. Was sie uns angetan hat, ist entsetzlich für mich. Aber das muss es nicht für dich sein. Verstehst du, was ich meine?« »Nein«, antwortete Joel. »Aber im Augenblick scheiß ich drauf.«
Als sie zu dem Viertel kamen, wo das Hotel war, blieb Samuel vor der Bierstube stehen.
»Jetzt wird uns ein Pilsner gut schmecken«, sagte er. »Nein«, sagte Joel. »Das wird es nicht. Außerdem musst du morgen nüchtern im Krankenhaus sein.« »Ich glaube, ein Pilsner schadet nicht.«
»Jetzt gehen wir nach Hause«, sagte Joel. »Kein Pilsner.«
Am nächsten Morgen standen sie früh auf. Joel ging ins Café und frühstückte und Samuel fuhr mit dem Bus zum Krankenhaus. Joel hatte Geld für den Fotografen bekommen. Aber es dauerte mehrere Stunden, ehe der Fotoladen öffnete. Er lief durch die Straßen und überlegte, ob er sich trauen würde Jenny anzurufen. Oder sollte er ihr schreiben?
Samuel ist ein Idiot. Viele Grüße, Joel.
Er konnte sich nicht entscheiden. Plötzlich entdeckte er das Mädchen, das ihn gestern nach einer Zigarette gefragt hatte. Sie saß allein auf einer Bank und blätterte in einer Illustrierten. Joel ging zu einem Kiosk und kaufte vier einzelne Zigaretten. Dann ging er zur Bank.
»Es hat ein bisschen gedauert«, sagte er. »Dafür kriegst du vier Stück.«
Das Mädchen erkannte ihn nicht gleich wieder. Dann brach sie in Lachen aus. »Du bist ja verrückt«, sagte sie. Die Zigaretten steckte sie in die Tasche. Dann stand sie auf und ging, ohne sich zu bedanken.
Joel war enttäuscht. Obwohl er nicht genau wusste, was er erwartet oder gehofft hatte. Er dachte an Sonja Mattsson, die nackt unter einem durchsichtigen Schleier gestanden hatte.
Es wird besser, wenn ich raus auf See komme, dachte er. Dann aber …
Er ging zum Fotografen und bekam seine Bilder. Dann suchte er sich die Adresse vom Seemannsarzt heraus. Das Wartezimmer war voll. Joel dachte, dass er und Samuel jetzt jeder in seinem Krankenhaus war. Und Jenny arbeitete in einem dritten.
Dann war er an der Reihe. Der Arzt forderte ihn auf, die Hose auszuziehen, drückte seine Leisten ab und sagte, Joel sei gesund. Er bekam eine Bestätigung und ging damit zur Arbeitsvermittlung für Seeleute.
In einigen Tagen würde er sich sein Seefahrtsbuch abholen können. Als er gehen wollte, hörte er eine Stimme hinter sich.
»Karmas
braucht einen Steward und einen Motormann.« Zwei Männer, die im Raum gesessen hatten, standen auf und gingen zum Schalter an der Wand.
Nächstes Mal bin ich an der Reihe, dachte Joel. Die Frage war, was Samuel dachte. Hatte er es ernst gemeint? Dass er nun vielleicht auch zur See fahren wollte? Bei ihm wusste man nie genau. Er änderte seine Entscheidungen, wie es ihm grad passte.
Aber vielleicht hatte er jetzt genug davon, mit Axt und Säge durch den Wald zu laufen. Was sollte jedoch mit ihrer Wohnung in dem Haus am Fluss, mit all den Möbeln werden? Joel konnte jedenfalls nicht mehr warten. Samuel musste eben nachkommen.
Er schlenderte noch einige Stunden durch die Stadt. Zwei Mal blieb er stehen und kaufte sich Würstchen. Dann ging er zurück zum Hotel.
Samuel war noch nicht wieder da. Aber der glatzköpfige Mann gab ihm einen Umschlag, als er den Schlüssel holte. Es war ein Brief. Von Jenny Rydén.
10
Der Brief war kurz und mit der Hand geschrieben. Joel setzte sich auf die Treppe vorm Hotel und las, was sie geschrieben hatte.
Lieber Junge,
als Samuel da auf dem Platz anfing zu brüllen und zu schreien, da wusste ich plötzlich, warum ich damals eigentlich weggegangen bin. Ohne etwas zu sagen. Zu dir konnte ich ja nichts sagen. Da du noch so klein warst. Und du hättest es nicht verstanden.
Samuel will ich nie mehr wieder sehen. Aber du musst verstehen, dass das Zusammenleben mit ihm nicht leicht war. Hofe nur, dass wir uns wieder sehen. Das möchte ich.
Jenny
Joel las den Brief noch einmal. Ein Wort hatte sie falsch geschrieben. »Hofe«. Es fehlte ein f. Aber eins hatte er
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