John Corey 01 - Goldkueste
Er starrte Beth an und sagte: »Das klingt wie eine Vernehmung.«
»Nein, Sie werden lediglich als Zeuge in eigener Sache befragt«, widersprach Beth. »Würden Sie vernommen, wären Sie darüber belehrt worden.«
»Vielleicht sollten wir Mr. Stevens weiterreden lassen«, schlug Mr. Nash vor. »Für Vernehmungen ist später noch Zeit. «
»Bitte weiter«, sagte Beth.
Mr. Stevens, der noch immer stand, fuhr fort: »Gut, dann hören Sie jetzt meinen kleinen Vortrag für Wissenschaftler, Würdenträger und Pressevertreter, die Plum Island besuchen.« Er warf einen Blick auf sein dämliches Schreibbrett und begann in leierndem Tonfall: »Plum Island ist rund dreihundertvierzig Hektar groß und besteht hauptsächlich aus Wald, Weideland und einem Exerzierplatz, den wir später sehen werden. Die Insel wird schon in den Logbüchern alter englischer und holländischer Segelschiffe erwähnt. Sie hat den Montauk-Indianern gehört, bis ein gewisser Samuel Wyllys sie im Jahr sechzehnhundertvierundfünfzig dem Häuptling Wyandanch abkaufte. Wyllys und andere Siedler nach ihm haben hier Rinder und Schafe weiden lassen, was eine Ironie des Schicksals ist, wenn man unsere heutige Nutzung der Insel bedenkt.«
Ich g ähnte.
»Damals«, fuhr Stevens fort, »war die Insel nicht ständig bewohnt. Wie konnten die Siedler also dort ihr Vieh weiden? fragen Sie sich vielleicht. Nun, im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert war das Gatt zwischen Orient Point und Plum Island so seicht, dass das Vieh bei Niedrigwasser herüber getrieben werden konnte. Erst gegen Ende des siebzehnten Jahrhunderts hat ein Wirbelsturm das Gatt so vertieft, dass damit Schluss war. Aber seit Beginn der englischen Präsenz ist die Insel häufig von Piraten und Freibeutern besucht worden, die ihre Abgelegenheit zu schätzen wussten.«
Ich fühlte plötzlich Panik in mir aufsteigen. Ich war in diesem kleinen Bus mit einem monoton leiernden Schwachkopf gefangen, der erst im Jahre siebzehnhundert angelangt war, und der Scheißbus hatte sich noch nicht mal in Bewegung gesetzt, und ich kam hier nur raus, wenn ich mir den Weg freischoss. Was hatte ich verbrochen, dass ich das verdiente? Meine Tante June blickte vom Himmel auf mich herab und lachte sich schief. Ich glaubte, ihre Stimme zu h ören: »Also, Johnny, wenn du noch weißt, was ich dir gestern über die Montauk-Indianer erzählt habe, kaufe ich dir ein Eis.« Nein, nein, nein! AUFHÖREN!
»Während der Revolution haben amerikanische Patrioten aus Connecticut von der Insel aus Überfälle auf die Tory-Hochburgen in Southold verübt«, fuhr Mr. Stevens fort. »Später hat George Washington, der die North Fork besucht hat...«
Ich hielt mir die Ohren zu, aber ein leises Summen blieb trotzdem hörbar.
Schlie ßlich hob ich meine Hand und fragte ihn: »Sind Sie Mitglied der Peconic Historical Society?«
»Nein, aber sie hat mir geholfen, diese kurze Geschichte der Insel zusammenzustellen.«
»Gibt's nicht eine Broschüre, die wir später lesen können, damit Sie sich den Vortrag für einen Kongressabgeordneten aufheben können?«
»Ich finde das alles faszinierend«, sagte Beth Penrose.
Die Herren Nash und Foster murmelten zustimmend.
»Du bist überstimmt, John«, erklärte Max lachend.
Stevens lächelte mich erneut an. Was brachte mich auf die Idee, er hätte lieber seine Pistole gezogen und mich nieder geschossen? »Bitte noch etwas Geduld, Detective«, sagte er. »Wir müssen ohnehin noch ein bisschen Zeit totschlagen.« Als er weiterredete, merkte ich, dass er etwas rascher sprach. »Am Vorabend des Spanisch-Amerikanischen Krieges kaufte der Staat also rund fünfzig Hektar der Insel für Küstenbefestigungen, und Fort Terry wurde erbaut. Das verlassene Fort werden wir später besichtigen.«
Ich sah zu Beth hin über, die wie gebannt an Stevens' Lippen hing. Während ich Beth Penrose anstarrte, die wiederum Paul Stevens anstarrte, sah sie zu mir herüber, und unsere Blicke begegneten sich. Beth schien peinlich ber ührt, dass ich sie dabei ertappt hatte, wie sie zu mir herübersah; sie lächelte flüchtig und wandte sich erneut Stevens zu. Mein Herz setzte kurz aus. Ich war verliebt. Wieder einmal.
»Ich möchte darauf hinweisen«, dozierte Mr. Stevens weiter, »dass es auf der Insel praktisch unberührte historische Artefakte aus drei Jahrhunderten gibt. Wir sind im Augenblick mit der Peconic Historical Society im Gespräch, um eine Probegrabung durchzuführen. Übrigens«, fuhr er fort, »sind
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