JoJo Und Ich
erkennbar, und auch er schwamm manchmal voraus, was ich seinen immer ferner klingenden Ortungslauten entnahm.
»JoJo, wo willst du hin?«, fragte ich und gab mir Mühe, keine Unsicherheit in meiner Stimme anklingen zu lassen.
Wenn er dann wieder da war, atmete ich erleichtert auf. An JoJos Lauten erkannte ich, dass wir wohl einen Sandrücken überquert hatten und jetzt vielleicht in der Kanalgegend waren. Buchstäblich nassforsch atmete ich tief ein und tauchte ab. Ich stieß mich eine Minute lang immer weiter in die Tiefe hinab, fand aber keinen Grund. Wieder an der Oberfläche versuchte ich unsere Position anhand einer roten Leuchte an Land einzuschätzen. Demnach sollte ich jetzt bei dem Durchlass vor dem äußeren Riffwall und der Tiefe sein, aber da war ich offenbar nicht. Ich sah mich nach dem Tauchboot um, das einige Hundert Meter außerhalb des Riffs lag, doch weil der Wind ungünstig stand, war es außer Rufweite.
JoJo tastete mit Ortungstönen die Gegend ab, hielt sich aber nahe bei mir und berührte mich sogar gelegentlich mit der Brustflosse, wie es Delfine untereinander tun, wenn sie im Verband schwimmen oder schlafen. Mir war es immer sehr angenehm, wenn er dicht neben mir schwamm, jetzt aber kam er so nahe, dass ich mich fragte, was es damit wohl auf sich hatte. Nahm er womöglich etwas wahr, das auch ihm bedenklich erschien? Vielleicht etwas, das größer war als wir beide zusammen?
Die fernen Bootslichter boten auch nicht viel Trost. Dann kamen wir offenbar in die Schuttzone und dahinter lagen die parallelen Rinnen und Rücken, die seewärts gleich an den höchsten Punkt des Riffs anschlossen. JoJo blieb neben mir und stieß in langsamer Folge Ortungslaute aus. Dann erhöhte sich die Frequenz, und plötzlich schoss er los und war mir schnell weit voraus.
»JoJo, warum schwimmst du immer wieder weg?«, flüsterte ich, hielt an und lauschte. Ich hörte seine Echolaute in weiter Ferne und dann nichts mehr. Sollte dieser nächtliche Ausflug etwa doch keine so gute Idee gewesen sein?
Ich erinnerte mich, dass das Wasser unter mir jetzt um die zehn Meter tief sein musste, noch ein Stück weiter aber kam der beinahe senkrechte Abbruch, wo es noch dunkler war und endlos in die Tiefe ging. Sollte JoJo jetzt ganz weg sein, war ich außerhalb des schützenden Riffwalls ganz auf mich allein gestellt, und wenn ich zum Boot wollte, musste ich über die große Tiefe.
Eine Weile rührte ich mich nicht und lauschte nur. Dann atmete ich tief durch, machte kehrt und schwamm in Richtung Land zurück, obwohl das die wesentlich längere Strecke war. Sollte ich hier im Flachwasser angefallen werden, dachte ich, würden meine Chancen vielleicht doch besser stehen als für einen lebenden Köder da draußen. Wenn ein Hai kam, müsste ich wohl den Angreifer spielen. Ob es mir aber auch gelingen würde, ihn zu verscheuchen, bevor er zuschnappte?
»Bist du wohl rechtzeitig hier, wenn es so weit kommt, JoJo?«, überlegte ich laut, als hätte mich der Hai bereits aufs Korn genommen.
Und was, wenn es JoJo vor mir erwischt hatte? Vor dem inneren Auge sah ich bereits meine abgerissenen blutigen Körperteile im Wasser treiben.
Ich schwamm mit hoher Geschwindigkeit. Kampflos würde ich jedenfalls nicht untergehen, nahm ich mir vor.
Dass ich dieses Tempo nicht lange halten konnte, war mir bewusst; vielleicht aber würde ich es wenigstens bis zur flachen Schotterzone schaffen. Da war ich dann immerhin weg von der Tiefe und hatte im drei bis sechs Meter tiefen Wasser bessere Chancen, alles im Blick zu behalten. Vor dem leichten Widerschein des weißen Sandes am Grund würde ich den Umriss eines Hais wahrscheinlich erkennen können.
Im Meer habe ich mich nie wirklich allein gefühlt, und auch Todesangst habe ich darin nie empfunden. Ich habe mich immer um Einklang mit der Natur bemüht und versucht, ganz im Wasser aufzugehen, um Kraft aus ihm zu beziehen. Jetzt aber sagte mir meine Intuition, dass da irgendwo ganz in der Nähe etwas lauerte. Ich musste sehr vorsichtig sein.
Als ich weiter weg etwas hörte, stellte ich mich auf Kampf ein und ballte die Fäuste. Ich hielt den Atem an, war auf das Schlimmste gefasst.
Doch dann hörte ich es pfeifen, und da waren auch wieder JoJos Ortungslaute für die kurze Distanz. Ich war erleichtert, blieb aber noch misstrauisch.
»JoJo, hast du den Hai verjagt oder dir nur etwas zu essen besorgt?«, erkundigte ich mich.
Wie froh ich war, ihn wieder neben mir zu haben! Mit neuem
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