Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
geschäftlich herabzögen ebenfalls, um einzukaufen.«
»Warum mochtet ihr nicht?«
»Er hat den eigenen Sinn seiner Jahre, Herr, und vorgefaßte Meinungen über die Dinge, so auch über das Land deiner Götter, – eigensinnig denkt er über Mizraim und hegt dieses und jenes Vorurteil in Betreff seiner Sitten.«
»Da muß man ein Auge zudrücken und sich nichts merken lassen.«
»Er hätte uns wahrscheinlich nicht erlaubt, herabzuziehen, wenn wir ihn darum gefragt hätten. Deshalb hielten wir’s für weiser im Rat, zu warten, daß der Mangel ihn selbst darauf brächte.«
»Das sollte vielleicht nun auch nicht sein, daß man so über den Vater rate und ihn klüglich behandle, denn es sieht aus, als spränge man mit ihm um.«
»Es blieb uns nichts anderes übrig. Auch sahen wir wohl seine Seitenblicke und daß er den Mund halb auftat zur Rede, tat ihn aber wieder zu. Endlich sprach er zu uns: ›Was tauscht ihr Blicke und seht euch viel um? Siehe, ich höre und das Gerücht drang zu mir, daß im Unterlande Getreide feil ist und wird Markt gehalten dortselbst. Auf, und sitzt nicht auf euren Gesäßen, daß wir verderben! Loset aus einen oder zweie von euch, und wen das Los trifft, Schimeon oder Dan, die mögen sich gürten und hinabreisen mit den Reisenden und Speise kaufen für euere Weiber und Kinder, daß wir leben und nicht sterben!‹ – ›Wohl‹, erwiderten ihm wir Brüder, ›aber es ist nicht genug, daß zweie ziehen, denn die Bedarfsfrage wird aufgeworfen. Wir müssen alle fahren und unsere Kopfzahl zeigen, daß die Kinder Ägyptens erkennen, wir brauchen Getreide nicht nach dem Epha, sondern dem Chômer nach.‹ – Er sagte: ›So ziehet zu zehnen!‹ – ›Es wäre besser‹, antworteten wir, ›wir zögen alle und zeigten, daß wir elf Häuser sind unter dem deinen, sonst werden wir knapp beliefert.‹ – Er aber antwortete und sprach: ›Seid ihr bei Troste? Ich sehe, ihr wollt mich kinderlos machen. Wißt ihr nicht, daß Benjamin zu Hause sein muß und an meiner Hand? Wie stellt ihr euch’s vor, wenn ihm ein Unfall begegnete auf der Reise? Ihr fahrt zu zehnen oder wir schlafen im Dunklen.‹ – Also fuhren wir.«
»Ist das deine Rechtfertigung?« fragte Joseph.
»Herr«, antwortete Juda, »wenn mein getreuliches Zeugnis nicht deinen Verdacht überzeugt und du daran nicht erkennst, daß wir harmlose Leute sind und mit Wahrheit umgehen, so müßten wir an jeder Rechtfertigung verzagen.«
»Ich fürchte, es wird dahin kommen«, sprach Joseph. »Denn über eure Harmlosigkeit hab ich nun mal meine eignen Gedanken. Was aber den Verdacht betrifft, unter dem ihr steht, und meine bis jetzt noch unerschütterte Zeihung, daß ihr Kundschafter seid und garnichts anderes – gut, so will ich euch prüfen. An der Getreulichkeit eurer Depositionen, sagt ihr, soll ich merken, daß ihr mit Wahrheit umgeht und keine Schelme seid. Ich sage: gut! Bringt euren jüngsten Bruder bei, von dem ihr redet! Stellt ihn hier mit euch vor mein Angesicht, daß ich sehe und mich durch den Augenschein überzeuge, es stimmt in den Einzelheiten bei euch und hat seine Zuverlässigkeit mit euren Bewandtnissen – so will ich anfangen, den Verdacht zu bezweifeln und langsam schwankend werden der Zeihung wegen. Wo aber nicht, – bei Pharao’s Leben! – und hoffentlich wißt ihr, man kann nicht höher schwören bei uns zulande –, so kann nicht nur nicht von Belieferung die Rede sein, sei es dem Epha nach oder gar nach dem Chômer, sondern erwiesen ist’s endgültig dann, daß ihr Daialu seid, und wie man mit solchen handelt, des hättet ihr eingedenk sein sollen, als ihr diesen Beruf ergriffet.«
Sie waren bleich und fleckig in den Gesichtern und standen da in Ratlosigkeit.
»Du willst, Herr«, ließen sie fragen, »daß wir des Weges zurückziehen, neun oder siebzehn Tage lang (denn uns springt nicht die Erde entgegen) und mit dem Jüngsten die Fahrt wiederholen hierher vor dein Angesicht?«
»Das wäre noch schöner«, gab er zurück. »Nein, sehr mitnichten! Glaubt ihr, ein Mann wie ich läßt einen solchen Spionenfang einfach wieder ziehen? Ihr seid Gefangene. Ich sondere euch ab in ein Nebengemach dieses Hauses und verwahre euch für drei Tage, womit ich heut meine, morgen und etwas von übermorgen. Bis dahin mögt ihr einen von euch erküren durch Los oder Abrede, der die Reise tun soll und hole den Prüfling. Die anderen aber bleiben gefangen, bis er vor mich gestellt ist, denn bei Pharao’s Leben, ohne ihn
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