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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Er dachte viel an den Alten, Abrams Oberknecht und Boten, der dem Urvater ähnlich gesehen im Angesicht, wie man allgemein sagte, und diesen Weg gezogen war in großer Sendung, um Rebekka zu holen für Isaak. Wie anders war er dahergekommen, stattlich und standesgemäß, mit seinen zehn Kamelen und hoch versehen mit allem, was notwendig und überflüssig, versehen, wie er selbst es gewesen war vor der verfluchten Begegnung mit Eliphas! Warum doch hatte Gott, der König, dies angeordnet? Warum strafte er ihn mit so viel Mühsal und Elend? Denn daß es sich um eine Strafe handle, um Ausgleich und Genugtuung für Esau, schien ihm gewiß, und er dachte viel nach auf der beschwerlich-armseligen Fahrt über das Wesen des Herrn, der zweifellos das Geschehene gewollt und gefördert hatte, ihn aber jetzt dafür plagte und ihn entgelten ließ Esau’s bittere Tränen, wenn auch gleichsam nur anstandshalber und in wohlwollend ungenauem Verhältnis. Denn stellte etwa all sein Beschwer, so lästig es war, ein gleichwertig Gebührnis dar für seinen Vorteil und den auf ewig verkürzten Bruder? Bei dieser Frage lächelte Jaakob in den Bart, der ihm unterwegs schon gewachsen war, in seinem schon dunkelbraunen und mageren, vom Schweiße blanken, vom feuchten und schmutzigen Kopftuch umrahmten Gesicht.
    Es war Hochsommer, im Monat Ab, eine hoffnungslose Hitze und Dürre. Der Staub lag fingerdick auf Bäumen und Büschen. Schlaff saß Jaakob auf der Rückenhöhe seines unregelmäßig und schlecht genährten Kamels, dessen große, weise, von Fliegen besetzte Augen immer müder und trauriger wurden, und verhüllte sein Antlitz, wenn begegnende Reisende an ihm vorüberzogen. Oder er führte das Tier, zu dessen Entlastung, auch wohl am Zügel, indem er es auf einem der gleichlaufenden Pfade schreiten ließ, aus denen die Straßen bestanden, und selber auf dem benachbarten ging, die Füße im steinigen Puderstaube. Nachts schlief er im Freien, auf dem Felde, zu Füßen eines Baumes, in einem Olivenhain, an einer Dorfmauer, wie es sich traf, und konnte dabei die gute Körperwärme seines Tieres, an das er sich schmiegte, wohl brauchen. Denn öfters waren die Nächte wüstenkalt, und da er ein Zärtling war und ein Kind der Hütte, so erkältete er sich im Schlafe sofort und hustete in der Tagesglut bald wie ein Schwindsüchtiger. Das war ihm sehr hinderlich bei der Gewinnung seines Lebensunterhaltes; denn um zu essen, mußte er sprechen, erzählen, die Leute mit der Schilderung des argen Abenteuers unterhalten, durch das er, so guten Hauses Sohn, in Armut verfallen war. Er erzählte davon in den Ortschaften, auf den Märkten, an den Brunnen draußen, mit deren Wasser man ihm erlaubte, sein Tier zu tränken und sich zu waschen. Knaben, Männer und Weiber mit Krügen umstanden ihn und lauschten seinem von Husten unterbrochenen, sonst aber gewandten und anschaulichen Wort. Er nannte sich, pries seine Herkunft, beschrieb eingehend das Herrenleben, das er daheim geführt, hielt sich auf bei den fetten und würzigen Mahlzeiten, die man ihm vorgesetzt, und gab dann ein Bild von der Liebe und der reichen Genauigkeit, mit der man ihn, des Hauses Erstgeborenen, zur Reise ausgestattet hatte, zur Reise nach Charran im Lande Aram, gen Morgen und Mitternacht, jenseits des Wassers Prath, woselbst ihm Verwandte lebten, deren Ehrenstand unter den Bewohnern des Landes nicht wundernehmen konnte, da sie eine Myriade Kleinvieh besaßen. Zu ihnen also war er von Hause entsandt, und die Beweggründe seiner Sendung hatten sich teils aus handelsgeschäftlichen, teils aus glaubensdiplomatischen Elementen von großer Tragweite zusammengesetzt. Die Geschenke und Tauschgegenstände, die er im Gepäck geführt, den Schmuck seiner Tiere, die Waffen seiner fürstlichen Bedeckung, die leckeren Mundvorräte für ihn und den Troß stellte er im kleinen dar und machte, daß seine eindruckshungrigen Zuhörer, die wohl wußten, daß man aufschneiden könne, aber einmütig darauf verzichteten, zwischen dem gut Aufgeschnittenen und der Wahrheit einen Unterschied zu machen, Augen und Münder aufsperrten. So war er ausgezogen, aber leider, gewisse Gegenden des Landes wimmelten von Räubern. Es waren ganz junge Räuber, doch ungeheuer frech. Als seine Karawane durch einen Hohlweg zog, hatten sie ihr den Vor- und Rückmarsch sowie auch die Möglichkeit seitlichen Ausbrechens abgeschnitten in wimmelnder Überzahl, und ein Kampf hatte sich entsponnen, der zum aufregendsten gehörte von

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