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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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vier oder fünf gewesen, wie Jaakob sich erinnerte, mit beiläufig zweihundert Schafen von hochgewachsener Fettschwanzrasse, wie er fachmännisch feststellte, und um den Brunnen hatten sie müßig gehockt und gestanden, der noch von dem runden Steine bedeckt gewesen war. Sie führten alle Schleudern, und einer hatte bei sich eine Laute. Jaakob redete damals gleich zu ihnen, indem er sie »Brüder« nannte und ihnen, die Hand an der Stirn, aufs Geratewohl zurief, daß ihr Gott groß sei, obgleich er nicht sicher war, welchem sie unterstanden. Aber hierauf, wie auf das, was er sonst noch sagte, sahen sie einander nur an und schüttelten die Köpfe oder wiegten sie eigentlich von einer Schulter zur anderen, indem sie bedauernd mit der Zunge schnalzten. Da war kein Grund, sich zu wundern, sie verstanden ihn natürlich nicht. Aber siehe, es war einer von ihnen mit einer silbernen Münze auf der Brust, der nannte seinen Namen Jerubbaal und war vom Lande Amurru gebürtig, wie er sagte. Er redete nicht genau wie Jaakob, aber sehr verwandt, so daß sie einander verstanden und Jerubbaal, der Hirte, den Dolmetsch machen konnte, indem er, was jener sagte, den anderen in ihre ummu-ummu-Sprache übersetzte. Sie ließen ihm danken für die Anerkennung, die er der Kraft ihres Gottes gezollt, luden ihn ein, sich zu ihnen zu setzen, und stellten sich selber mit ihren Namen vor. Sie hießen Bullutu, Schamasch-Lamassi, Hund Ea’s und so ähnlich. Darauf brauchten sie ihn nicht nach Namen und Herkunft zu fragen; er beeilte sich, ihnen beides bekanntzugeben, fügte auch gleich eine vorläufige bittere Anspielung auf das Abenteuer hinzu, das ihn in Armut gestürzt, und bat vor allem um Wasser für seine Zunge. Er bekam welches aus einer Tonflasche, und so lau es schon war, er spülte es selig hinunter. Sein Kamel aber mußte warten, wie auch die Schafe auf Tränkung zu warten schienen, während der Stein noch auf dem Brunnenloch lag und aus irgendwelchem Grunde niemandem beikam, ihn abzuwälzen.
    Woher seine Brüder seien, fragte Jaakob.
    »Charran, Charran«, antworteten sie. »Bel-Charran, Herr des Weges. Groß, groß. Der Größte.«
    »Jedenfalls einer der Größten«, sagte Jaakob gemessen. »Aber nach Charran will ich ja! Ist es weit?«
    Es war nicht im mindesten weit. Dort, hinter dem Bogen der Hügelwelle, lag die Stadt. Mit den Schafen zog man in einer Stunde hin.
    »Wunder Gottes!« rief er. »Da bin ich ja angekommen! Nach mehr als siebzehntägiger Reise! Kaum kann ich’s fassen!« Und er fragte sie, ob sie denn Laban kennten, da sie von Charran seien, Bethuels Sohn, des Sohnes Nachors?
    Den kannten sie gut. Er wohnte nicht in der Stadt, sondern nur eine halbe Stunde von hier. Sie warteten auf seine Schafe.
    Und ob er gesund sei?
    Ganz gesund. Warum?
    »Weil ich von ihm gehört habe«, sagte Jaakob. »Rupft ihr euere Schafe, oder schert ihr sie mit der Schere?«
    Sie antworteten alle verächtlich, daß sie natürlich schören. Ob etwa bei ihm zu Hause gerupft werde?
    »Doch nicht«, antwortete er. So weit sei man auch zu Beerscheba und dort herum, daß man Scheren habe.
    Da kamen sie auf Laban zurück und sagten, sie warteten auf Rahel, seine Tochter.
    »Danach wollte ich euch fragen!« rief er. »Wegen des Wartens nämlich! Ich wundere mich längst. Ihr sitzt hier um den verdeckten Brunnen herum und um den Stein des Brunnens gleich Wächtern, statt ihn wegzuwälzen von der Höhle, auf daß euer Vieh trinke. Was soll denn das? Es ist zwar noch etwas früh zum Heimtreiben, aber da ihr einmal hier seid und seid gekommen zur Höhle, könntet ihr doch immerhin wegwälzen den Stein davon und die Schafe euerer Herren tränken, statt zu lungern, auch wenn die Dirne da, die ihr nanntet, Labans Kind also, wie heißt sie, noch zu erwarten ist.«
    Er sprach zurechtweisend mit den Knechten und wie ein Mann, der mehr war als sie, obgleich er sie »Brüder« nannte. Denn das Wasser hatte ihm Leib und Seele ermutigt, und er fühlte sich vor ihnen.
    Sie sprachen »ummu, ummu« und ließen ihm sagen durch Jerubbaal: Das sei in der Ordnung, daß sie warteten, und sei eine Sache der Schicklichkeit. Sie könnten den Stein nicht abwälzen und tränken und heimtreiben, bevor Rahel komme mit den Schafen ihres Vaters, die sie hüte. Denn es müßten alle Herden zusammengebracht sein, bevor man heimtriebe, und wenn Rahel zuerst an den Brunnen komme, vor ihnen, so warte sie auch, bis sie kämen und wegwälzten.
    »Das glaube ich«, lachte Jaakob. »Das

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