Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.
gewiß auch war es seine harte Pranke gewesen, die den Knaben getroffen, den jungen, strahlenden, unschuldigen. Oh, er wird wieder viele große, stolze Worte wissen zu seiner Rechtfertigung! Aber diesmal wird er sie nicht dumm reden. Er hat den Knaben umgebracht wegen des Guten, das in ihm war, einfach, weil der Knabe so war, wie er war, vielleicht auch nur deshalb, weil der Knabe ihr, Lucia, gefallen hatte. Und auch Domitilla hatte er getötet, nur um sie, Lucia, zu treffen, so wie ein böses Kind das Spielzeug zerstört, an dem ein anderer seine Freude hat. Sie wird ihm das sagen, ins Gesicht; wenn sie es nicht täte, erstickte sie an dem unausgesprochenen Wort. Ihre ganze Wut, ihren ganzen Ekel wird sie ihm ins Gesicht schleudern.
Unverzüglich brach sie auf, nach Rom.
Solange er mit Josephus gesprochen, hatte Domitian ein Gefühl tiefer Befriedigung gespürt. Auch als Josephus seinen Vorschlag zurückgewiesen hatte, dem Knaben eine glänzende Bestattung zu rüsten, hatte er nur gelächelt. Er nahm dem Josephus die Frechheit nicht übel; sie bewies nur, daß er wirklich den Gegner an seiner verwundbarsten Stelle getroffen hatte. Wie ihm dann Claudius Regin die freche Bitte des Juden überbracht, war das vielleicht der Gipfel seines Triumphs gewesen. Denn nun konnte er sich obendrein noch großzügig zeigen und beweisen, daß, was er getan, nicht gegen den Gott Jahve gerichtet war. Das Verbrechen des Knaben Matthias hatte der Kaiser Domitian ahnden müssen; den Liebling des Gottes Jahve ehrte er mit den höchsten Ehren. Und er lächelte tief, froh und finster, als er erfuhr, daß von seinen schnellen Schiffen gerade »Der Rächer« bereitlag, daß es »Der Rächer« war, der den Josephus und seinen toten Sohn nach Judäa brachte. Fahr hin, Josephus, mein Jude, fahre zu, auf meinem guten, schnellen Schiff! Habt guten Wind, du und dein Sohn, fahrt hin, fahrt zu! Geflohen, entwichen, davongelaufen, enteilt ist Catilina.
Doch je weiter der Feind enteilte, je weiter fort von Rom die Liburna »Der Rächer« war und auf ihr der Tote und der Lebendige, so mehr fiel des Kaisers Freude in sich zusammen. Er wurde gegen seine Gewohnheit träge, unlustig allen Tuns. Nicht einmal zu der kleinen Reise nach Alba raffte er sich auf, er blieb in dem heißen Rom.
Langsam stellten sich die alten Zweifel wieder ein. Gewiß, er hatte recht daran getan, den Flavius Matthias zu beseitigen; der hatte Hochverrat begangen, er, der Kaiser, hatte nicht nur das Recht, er hatte die Pflicht gehabt, ihn zu strafen. Aber sein Gegner, der Gott Jahve, ist ein gewitztes, tückisches Wesen. Menschenwitz kann gegen ihn nicht an. Er wird Gründe finden, gekränkt zu sein, daß der Römer seinen Davidssproß, seinen Auserlesenen, hat wegraffen lassen. Er hat, Domitian, viele gute Argumente für sich anzuführen. Aber wird der feindselige Gott sie gelten lassen? Und jedermann weiß, wie rachsüchtig dieser Gott Jahve ist und wie unheimlich, und wie seine Hand aus dem Dunkeln trifft.
Was kann er ihm vorwerfen, dieser Gott Jahve? Jahves Günstling, Jahves Gesandter, Josef, hatte ihm frecherweise im Beisein von ganz Rom die niederträchtige Ode vom Mut ins Gesicht geschleudert. Der gleiche Sendling Jahves hatte Lucia veranlaßt, freundschaftliche Beziehungen mit ihm zu unterhalten und ihn und seine Mission vor aller Augen auf provokatorische Art auszuzeichnen. Aber es war nicht der Wille, sich an diesen beiden zu rächen, der ihn, Domitian, zur Beseitigung des Matthias veranlaßt hatte. Er hatte die beiden nicht treffen wollen. Daß er sie hatte treffen müssen, war die übliche Nebenerscheinung einer ihm leider von den Göttern auferlegten heiligen Funktion. Nein, er grollte Josef nicht und auch nicht Lucia; er hegte vielmehr geradezu freundschaftliche Gefühle. Es war nicht etwa er, der ihnen Unheil zugefügt hatte, die Götter hatten es getan, das Schicksal, und er, ihr Freund, hatte den ehrlichen Willen, sie zu trösten.
Trotzdem blieb in ihm ein heimliches Gefühl, es sei da eine Schuld, und wie es seine Gewohnheit war, mühte er sich, diese etwa vorhandene Schuld von sich abzuwälzen auf einen andern. Wo war die erste Ursache der Tat? Es hatte damit begonnen, daß ihm Norban zwei Davidssprossen vorgestellt hatte. Norban hatte das zu einem bestimmten Zweck getan. Der Kaiser wußte nicht mehr, welche Absicht Norban damit verfolgt hatte, aber soviel war sicher: Norban hatte ihm absichtlich das erste Glied einer Kette in die Hand
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