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Jud Sueß

Jud Sueß

Titel: Jud Sueß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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er schwieg. Sah dem drängenden, langsam sich verdüsternden Herzog ins Gesicht und schwieg. Schließlich setzte Karl Alexander von neuem an und fragte, immer mit gemacht überlegener Scherzhaftigkeit, ob etwa seine Frauengeschichten zusammenhingen mit dem fatalen Ausgang, den der Magus bei ihrem Zusammentreffen vorausgesagt, oder recte, vorausverschwiegen. Der Herzog erwartete keine Antwort auf diese Frage, auch Süß vermutete, der Oheim werde ausweichen. Aber Rabbi Gabriel, immer die Steinaugen auf dem Herzog, erwiderte ein mürrisches, quarrendes, unzweideutiges: »Ja.« Karl Alexander, auf so runden Bescheid nicht gefaßt, langte nach dem Herzen, atmete schwer, Schweigen lag dick und beklemmend auf dem Zimmer. Schließlich sagte Karl Alexander noch mit mattem Scherz, sieh da, nun habe er ja Bescheid, brach ab und sprach von anderem. Warf dem Süß hin: Ja, weshalb er gekommen sei: er habe also dem Harpprecht ein Gutachten aufgetragen wegen seines lumpigen Eßlinger Juden. SeinKreuz und lauter Schweinerei habe man mit ihm! Verlangte nach seiner Kutsche, entfernte sich mißlaunig, nach einem schlechten, verärgerten Witz über die Büste des Moses.
    Der Herzog gegangen, trumpfte Süß groß auf. Nun habe er also den Juden Jecheskel Seligmann Freundenthal glücklich los aus den Händen Edoms. Was bisher niemals geglückt sei im Römischen Reich, habe er, Süß, jetzt erreicht. Ob der Oheim immer noch sein Leben und große Mühe für so eitel und Haschen nach Wind ansehe?
    Widerwillig nur entgegnete der Rabbi dem sich Blähenden: Des Süß Leben sei kein Leben. Sei vor sich selber und der eigenen Leere fliehende Zappelei.
    Gekränkt und fast kindlich schmollend, schwieg Süß zuerst. Holte, den Blick des Rabbi meidend, stumm vor dem Stummen auf und ab gehend, aus allen Winkeln Argumente zusammen. Ei, hatte er nicht eben erst einen edelmütigen Entschluß gefaßt und mit so gewaltigen Opfern durchgesetzt? Sein reiches, fruchtvolles Leben leere Zappelei? Angesichts der frommen Tat, die er soeben getan, sagte man ihm das? Ja, war nicht solche Tat allein Sinns genug für ein Leben? Und wenn diese Tat, dieses Erreichnis nur eine Perle in einer Kette wäre? Wenn sein ganzes Leben, von diesem Punkt aus zu erklären, nichts als Aufopferung, Auswirkung einer frommen, jenseitigen Idee wäre?
    Er hielt inne in seinem Gang durchs Zimmer, kittete sich sofort fester an diesen Gedanken. Es gefiel ihm, dem Mann des Augenblicks, dem großen Komödianten seiner selbst, sein Leben sentimentalisch von diesem Punkt aus zu sehen. Es reizte ihn, seine leer wirbelnden Tage als die erhebende Vita eines großen Frommen zu kommentieren. Sein Leben sinnlos, gar verächtlich, von jemandem mit einer vagen Handbewegung wegzuschieben? Dies empörte seine Eitelkeit. Starkwillig entriß er sich dem lähmenden Ring, in den Rabbi Gabriels Gegenwart ihn band. Er zwang sich selber, an einen tiefen, schicksalhaften, frommen Sinn seines Lebens zu glauben, in seinem Aufstieg Lehre und Gleichnis zu sehen. Eifrigschritt er hin und her, flüsternd und geheimnisvoll mit seiner geübten Stimme auf den schweigenden Hörer einredend. Mit seiner ganzen fließenden, flutenden, ebbenden, advokatischen Beredsamkeit, mit der Beflissenheit, mit der er um eine große Staatsaktion warb, brannte er vor dem Rabbi ein brillantes Feuer frommer Eitelkeit ab.
    Wenn er nur hätte Karriere machen wollen, ei, warum dann sei er Jude geblieben? Warum dann habe er sich nicht taufen lassen wie sein Bruder? Nein, der Oheim tue ihm groß Unrecht, wenn er sein Leben so gar gering und verächtlich ansehe. Durchaus nicht aus bloßer Lust am Gold oder an der Macht stehe er hier, auf so hoher, umneideter und gefährlicher Stelle.
    Er klammerte sich an die Idee, sie schmeichelte ihm, er suggerierte sie sich, um sie dem andern suggerieren zu können. Er flüsterte sie dem Kabbalisten zu als großes Geheimnis, er spielte, vor sich fast mehr als vor dem andern, Schicksal, Überzeugtheit, Sendung. Wie? Wenn er nun ausersehen wäre, Israel zu rächen an Edom? Das kann doch nicht blinder Zufall sein, daß er dasteht wie Josef, den Pharao erhöht hat. Wenn er jetzt so hoch ist und sehr in Glanz, daß die, welche sonst Israel anspucken und mit Füßen treten und sich den Ärmel wischen, wenn sie an einen Juden gestreift sind, den Rücken rund machen müssen vor ihm und seinen Staub lecken: ist das nicht Rache? Heut liegt er, der Jud, über dem Land und saugt von seinem Blut und wird fett von seinem

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