Judassohn
bereits geöffnet und den Besucher hereingelassen.
Auf der Schwelle stand ein kahlköpfiger Mann, dessen stechender Blick auf Dominic gerichtet war. Bevor der Unbekannte etwas sagen konnte, bat die Baronin ihn: »Sprich Französisch, lieber Octavius. Das Serbisch meines Gasts ist abscheulich schlecht.«
»Oh. Nun, mein Französisch klingt bestimmt nicht besser. Guten Abend, Lydia«, sagte er mit dünnem Stimmchen, das so gar nicht zu seiner breiten Statur passen wollte. Sein Bart war dicht, jedoch sauber gestutzt.
Dominic musste sich das Lachen verkneifen. Die schwarzgelbe osmanische Uniform und die dunkelroten Pumphosen, die in hohe Schaftstiefel mündeten, wirkten durch das Fisteln nicht gerade eindrucksvoll.
Die Natur kann grausam sein. Ob er noch seine Eier hat? Vielleicht ein entflohener Eunuch?
»Das ist Monsieur de Marat aus dem fernen Frankreich. Marek hat ihn auserwählt, sein neuer Eleve zu sein«, plauderte Metunova drauflos, »aber der Junge kam von selbst zu mir. Ich habe ihm ein paar Wahrheiten berichtet.« Sie zeigte auf den Hünen. »Das ist Octavius. Er ist ein Vampyr. Ein Murony und ein Freund, wie man ihn äußerst selten findet.«
»Sehr erfreut«, sagte Dominic und erinnerte sich, was ihm Marek zu dieser Art Blutsauger gesagt hatte.
Zu Lebzeiten war ein Murony ein Hexer oder eine Hexe gewesen. Sie schlossen sich zu Zirkeln zusammen und vermochten den Regen zu kontrollieren, hatte ihm sein Oheim zumindest aufgetischt. Sie würden Schönheit von den Menschen stehlen, sie sammeln und in Form von Amuletten verkaufen. Die Träger des Schmucks erschienen für jeden, der sie erblickte, wirklich hübscher.
Außerdem können sie die Lebenskraft von Lebewesen stehlen und sie auf andere übertragen. Gefährliche Vampyre.
»Ich bin nicht weniger erfreut.« Octavius streichelte eine der Doggen, die sich hineindrücken wollte. »Marek gibt demnach nicht auf.«
»Nein. Er hat Angst vor dem Tod. Oder dem Dämon, der seine Seele verschlingen wird.« Metunova schob das Tier hinaus und schloss den Eingang. »Dominics Mutter war außergewöhnlich: Scylla.«
»Was?«
Wieder ruhten die stechenden Augen auf ihm.
Dominic konnte die Blicke spüren, die durch ihn gingen wie Messer. Sein Amüsement über die hohe Stimme verflog, denn er fühlte sich unbehaglich. Ein äußerst unangenehmer Zug der Murony. Marek nannte sie
die Krämer unter dem Abschaum:
zurückhaltend, doch geschäftstüchtig. Sie machten mit ihren Fertigkeiten viel Geld und waren äußerst wohlhabend. »Ist Eure Burg weit von hier entfernt, Monsieur?«
»Meine
Burg?
«
»Ich lernte, dass Murony sich bevorzugt in alten Burgen verschanzen. Oder hat mein Oheim geirrt?«
»Nein, er irrte nicht. Aber man muss mit der Zeit gehen. Während des Krieges«, fistelte Octavius, »ist es nicht ratsam, sich an solchen Orten aufzuhalten. Sowohl die Osmanen als auch die Habsburger werden von Befestigungen regelrecht angezogenwie die Fliegen von der Scheiße.« Er lehnte sich neben Lydia an die Wand. Gemeinsam schauten sie auf Dominic wie Eltern auf ihren Spross. »Scyllas Sohn«, kam nach einer langen Pause aus seinem Mund, als hätte er etwas Wertvolles entdeckt. »Deine Mutter kannte die Formel der Unsterblichkeit, erzählt man sich. Weißt du etwas darüber?«
Der Tonfall kommt leicht daher, aber in der Frage steckt wesentlich mehr.
Dominic wusste nicht, was er entgegnen sollte.
»Nein, weiß er nicht«, sagte Metunova. »Er wollte gerade gehen. Wir zwei, Octavius, haben noch etwas zu besprechen.« Sie lächelte Dominic an. »Verzeih mir den Rauswurf. Ich weiß, ich sagte, dass ich dir noch etwas zur Windgestalt beibringen will, aber ich schwöre, wir holen es bald nach. Komm vorbei, wann immer dir danach ist.«
Anscheinend steckte meine Mutter voller Geheimnisse.
»Madame.« Er verneigte sich tief vor ihr und hielt es für klüger, nicht zu drängeln.
Der Murony öffnete die Tür für Dominic. »Es war schön, deine Bekanntschaft gemacht zu haben.«
»Monsieur, es wird mir immer eine Freude sein.« Er blieb stehen. »Ach, könntet Ihr mir verraten, wo ich auf die Schnelle weitere Vertreter der verschiedensten Vampyrarten treffen kann? Ich lerne am besten, wenn ich etwas sehe.«
Metunova und Octavius blickten sich an, dann nannten sie Dominic die Namen von Ortschaften in der Umgebung.
»Die solltest du aufsuchen und dich abwechselnd auf die Lauer legen«, empfahl der Hüne. »Früher oder später erscheinen gewiss welche. Die Gier nach Blut. Bei
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