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Judassohn

Titel: Judassohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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sein.«
    Sandrine entspannte sich.
    Jäger!
    Auch wenn es so gut wie keine Wölfe mehr gegeben hatte, seit die Treibjagden wegen der Bestie drei Jahre lang ununterbrochen stattgefunden hatten, schienen sie sich die Graupelze als Beute ausgesucht zu haben.
    »Der alte Chamonix hat gesagt, dass seinem Nachbarn vorgestern alle sieben Schafe in der Nacht gerissen worden sind«, sagte der Späher und redete langsam, weil er seine Aufmerksamkeit auf das Beobachten richtete. »Da muss ein Rudel unterwegs sein.«
    »Solange sie nur an Tiere gehen, ist es noch zu verschmerzen. Menschen sind wertvoller. Man wird uns dankbar sein, wenn wir das Rudel dezimieren.« Der Kartenleser faltete den Plan zusammen. »Gehen wir also nach Westen, wie du es möchtest.«
    Die Männer marschierten los, nahmen dabei die Musketen von den Schultern; im Laufen steckten sie lange Bajonette auf, die silbern aufleuchteten.
    Bonne chance, messieurs.
    Sie richtete sich langsam auf und sah ihnen hinterher.
    Ich lasse ihnen einen Vorsprung.
    Sie setzte sich auf den Stein. Die Füße baumelten vor und zurück, während sie zu den Sternen aufschaute und sich zurücksinken ließ. Der Granit war noch warm und lud sie zum gemütlichen Verweilen ein. Hätte sie die Gräser nicht in der Schürze gehabt, wäre sie bis zum Morgengrauen geblieben, um Sterne zu zählen und der Nacht zu lauschen. Am liebsten mit Anjanka.
    Schritte näherten sich ihr. Schritte von jemandem, der versuchte, leise zu sein …
    Um dich an mich anzuschleichen, musst du besser werden.
    Sandrine richtete sich auf und sah einen unbekannten älteren Mann vor sich. Zuerst hatte sie wegen der Weißhaarperücke auf dem Kopf gelaubt, einen Adligen vor sich zu haben; aber das Wams war schäbig.
    Er hat schon mal bessere Tage gesehen.
    »Bonnuit, Monsieur.« Sie war aufmerksam. Ein nächtliches Treffen an einem abgelegenen Ort wie diesem fand nicht zufällig statt. Die Spuren hinter ihm gaben ihr recht. Er hatte sich in einer Linie auf sie zubewegt, wie sie am niedergetretenen Gras erkannte. Und er hatte versucht, sie zu überrumpeln. Das sprach nicht unbedingt für die ehrbare Absicht des Unbekannten.
    Er blieb überrascht stehen. »Endlich«, sagte er erleichtert und ein wenig erbost zugleich. »Ihr seid Mademoiselle Sandrine Carnasse?«
    »Wieso interessiert Euch das?« Sie versuchte in seinem Gesicht zu ergründen, was er im Schilde führte. »Schleicht Ihr Euch immer nachts an Frauen an?«
    »Ich muss mit Euch Geschäftliches besprechen.« Er steckte dieHände in die Taschen des abgetragenen Gehrocks, und sein Gesicht wurde feindselig. »Ihr seid es, die mir das Geschäft ruiniert, Mademoiselle. Das muss enden, hört Ihr?! Mir wäre es am liebsten, es geschähe in einer gütlichen Einigung, aber wenn Ihr den Krieg haben wollt, soll es so sein.«
    Sandrine war zu verwundert, um sofort darauf zu antworten. In diesem harmlos aussehenden, betagten Mann hätte sie nie und nimmer einen Hexer vermutet! Seine Art zu sprechen, die exakte Betonung verriet ihr zusätzlich, dass er nicht immer ein einfacher Landbewohner gewesen war.
    »Ich kenne einflussreiche Menschen, und das nicht nur im Gévaudan.« Die hellblauen Augen sahen sie durchdringend an. »Ich möchte Euch nicht drohen«, fuhr er fort, und seine Stimme unterstrich das genaue Gegenteil, »aber wenn ich mich ein bisschen anstrengen würde, säßet Ihr schneller in der Zelle, als Ihr Eure Ziegen aus dem Stall scheuchen könntet.«
    Sandrine hatte sich von ihrer ersten Überraschung erholt. »Da Ihr wisst, wer ich bin, Monsieur, ich Euren Namen jedoch nicht kenne …«
    »Penchenat. Claude Penchenat.«
    »Der Henker?« Sandrine hatte von ihm gehört. Er sollte einst Arzt in Paris gewesen sein, ehe er sich dort Feinde gemacht hatte und ins Gévaudan gehen musste. Er verdingte sich als Henker und holte aus jedem Schuldigen auf der Folterbank ein Geständnis heraus, hatte ihr eine Kundin erzählt. Die Nennung seines Namens würde genügen.
    Penchenat lächelte überheblich. »Nicht nur. Wisst Ihr, ich verdiente mit meinen Mittelchen, die eine Freundin für mich herstellt, bei diesen tumben, abergläubischen Menschen nicht schlecht. Aber seit Ihr hergezogen seid und die Flüche im wahrsten Sinne verschleudert, kommt kaum noch jemand zu mir.« Er sah nach rechts und links. »Schaut: Das Gévaudan ist doch so groß, Mademoiselle Carnasse. Geht an einen anderen Ort.«
    »
Das
ist Euer Vorschlag?«
    »Ja.«
    Sandrine lachte auf. »Ich denke nicht, dass

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