Julia Extra Band 0213
diesen Donnerstagnachmittag freigegeben, damit ich mit meinem kleinen Billy zu seinem Schulfest gehen kann.”
“Ich lasse ihn auch nie damit durchkommen, wenn er ungerecht wird”, stimmte Carla zu. “Jedes Mal, wenn er sich im Ton vergreift, mache ich ihn sofort darauf aufmerksam. Außerdem ist er viel unpersönlicher, wenn er mich maßregelt.”
“Aber ich weiß einfach nicht, was ich zu ihm sagen soll”, wandte Aleta ein. “Ich bin so nervös, dass mir kein vernünftiges Wort über die Lippen kommt. Innerlich bin ich dann praktisch wie erstarrt.”
“Lern einfach zu kämpfen!” Rhoda schüttelte den Kopf. “Du musst ja gar nicht so laut werden wie er. Kämpfen bedeutet nur, dass du über deine eigenen Grenzen entscheidest und sie verteidigst. Wenn du nicht kämpfen kannst, wirst du nie überleben. Der alte McCormick wird zu einem richtigen Teddybär, wenn du ihm entgegentrittst und ihm zeigst, dass du dich nicht unterkriegen lässt.”
Die Frauen verkniffen sich weitere Ratschläge und widmeten sich wieder ihrer Arbeit. Nur Maggie blieb vor Aletas Schreibtisch stehen und sah ihre Freundin liebevoll an. “Das bedeutet wohl, du kommst nicht mit zu ‘Marshall Field’s’?”
Schon einige Wochen zuvor hatten die vier Kolleginnen beschlossen, in der Mittagspause einen Abstecher zu dem Einkaufszentrum zu machen, da dort an diesem Tag ein Ausverkauf stattfand.
“Ist auch ganz gut so”, meinte Aleta gelassen. Sie hatte sich zwar sehr auf diesen Ausflug gefreut, aber mit Mr. McCormick auf dem Kriegspfad konnte sie diesen Plan vergessen. “Ich habe ohnehin kein Geld dafür übrig.”
Mitfühlend nickte Maggie und ging zu ihrem eigenen Arbeitsplatz hinüber.
Aleta dagegen gönnte sich in ihrer Fantasie einen letzten Augenblick in den Armen ihres Prinzen Giancarlo. Einen Augenblick, der nicht durch ihre Unfähigkeit, ihr eigenes Leben zu kontrollieren, gestört wurde. Ein letztes Mal glücklich durchatmen, bevor die unangenehmen Abrechnungen ihre ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen würden.
Um Viertel vor eins saß sie noch immer an ihrem Schreibtisch über den Rechnungen. Ihre Vorgesetzte hatte ihr ziemlich spät die aktuellen Zahlen überreicht, und so musste Aleta sich anstrengen, bis ein Uhr mit ihrer Arbeit fertig zu werden. Maggie hatte versprochen, ihr aus dem Einkaufszentrum ein Sandwich mitzubringen, damit Aleta keine zusätzliche Zeit mit einer Mittagspause verlor. Nur so konnte sie den Termin einhalten.
Ob sich Mr McCormick jemals ändern wird? fragte sich Aleta. Auf seine unbeholfene Art kann er trotzdem so nett sein. Wenn nur diese irrationalen, launischen Ausbrüche nicht wären!
Im vergangenen Winter hatte er bei einem besonders schlimmen Schneesturm allen seinen Angestellten freigegeben. Als er dann später aus seinem Bürofenster die lange Schlange an der Bushaltestelle gesehen hatte, hatte er sogar Aleta, ihre Kolleginnen und die Chefsekretärin in seinem eigenen Wagen nach Hause gefahren. Es war eine zermürbende, stundenlange Fahrt gewesen, erschwert durch dichten Verkehr und noch dichteres Schneetreiben. Aber zu keinem Zeitpunkt hatte er sich darüber beschwert, sondern hatte stattdessen gemeinsam mit den Frauen Weihnachtslieder angestimmt.
Manchmal fragte sich Aleta, wer eigentlich das Problem war: er oder vielleicht sogar sie selbst. Warum fiel es ihren Kolleginnen so leicht, seine Tiraden mit Humor und einem Schulterzucken zu ertragen, während sie tagelang missmutig darüber nachdachte?
Kann ich wirklich nicht für das kämpfen, was mir wichtig ist? überlegte sie. Und mich nicht verteidigen, wenn ich zu Unrecht beschuldigt werde? Vielleicht liegt es auch an Mutters Tod? Scheinbar habe ich während der letzten fünf Jahre nicht einmal die Kraft zum Kämpfen gehabt.
Als sie damals nach der Beerdigung die noch zu zahlenden Rechnungen durchgegangen war, hatte sie erst gemerkt, wie viele Opfer ihre Mutter gebracht hatte, um Aleta eine unbeschwerte Jugend finanzieren zu können. Leider hatte Mrs Clayton bei all der heimlichen Sparerei ihre Tochter nicht auf die wirkliche Welt vorbereitet: eine Welt voller schlecht gelaunter Chefs, unbezahlter Rechnungen und schwerer Entscheidungen. Aleta lebte plötzlich in einer Welt, in der jeder auf die ein oder andere Art und Weise für sich kämpfen musste.
Die Verwandlung vom glücklichen Teenager zu einer ernsten, etwas eingeschüchterten Frau war unvermeidlich gewesen. Nur wenige ihrer Schulfreunde würden Aleta, wie sie sich in
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