Julia Extra Band 0213
ihrem strengen Geschäftskostüm und mit verschlossener Miene über die Abrechnungen der Firma beugte, wiedererkennen.
“Du bist die geborene Prinzessin”, hatte ihre Mutter oft zu ihr gesagt. Noch heute musste Aleta über diesen liebevollen Scherz ihrer Mutter lachen. Wahrscheinlich um Aleta das Selbstbewusstsein einer Königin zu geben, und sie damit auf die Veränderungen des Lebens vorzubereiten, hatte Mrs Clayton Aleta oft erzählt, sie stamme direkt von einer der fünf adeligen Monticello-Familien ab. Und dass sie selbst aus dem Königreich verbannt worden war, nachdem sie einen Amerikaner geheiratet hatte – Aletas Vater. Er war an Krebs gestorben, als Aleta zwei Jahre alt war.
Eine märchenhafte Vorstellung von der eigenen Vergangenheit, die schon Mrs Clayton von den Schwierigkeiten abgelenkt hatte, die das Leben als allein erziehende Mutter unweigerlich mit sich brachte. Zwar zweifelte Aleta nicht daran, dass ihre familiären Wurzeln in dem kleinen Königreich lagen, aber direkt bei Hofe …
Eine Prinzessin! Schmunzelnd tippte Aleta auf der Addiermaschine herum. Zum ersten Mal hatte sie die Geschichte ihrer Mutter gehört, als sie neun Jahre alt gewesen war. Sie waren gemeinsam beim Einkaufen gewesen und hatten auf dem Verkaufstisch eine Zeitschrift entdeckt, deren Titelblatt den jungen Prinzen von Monticello zeigte.
“Das ist dein zukünftiger Ehemann”, hatte ihre Mutter sie geneckt. Danach hatte Mrs Clayton ihre erstaunte Tochter über ihre angeblichen familiären Verbindungen zum Königreich aufgeklärt. Sie hatte dies auf eine so amüsante, fröhliche Art getan, dass Aleta gern an diese Stunden zurückdachte. Und sie hatte sich als Neunjährige schon fest vorgenommen, diesen Mann zu heiraten, den ihre Mutter ihr prophezeit hatte.
Wer konnte sie es der armen Frau vorwerfen, dass sie ihr eigenes und das Leben ihrer Tochter mit etwas Zauber und Glamour zu erhellen versucht hatte? Aber Aletas Mutter war nun tot, und so blieb Aleta nur noch die Erinnerung und die Schwärmerei für dieses alte Familienmärchen.
Das Telefon unterbrach ihre Tagträume mit einem schrillen Klingeln.
“Hier ist ein Herr, der Sie sprechen möchte”, teilte ihr die Empfangssekretärin der Firma mit. “Soll ich ihn zu Ihnen schicken?”
Entgeistert starrte Aleta auf ihr Telefon. Das wird mal wieder ein Kunde sein, der irgendeine fadenscheinige Erklärung herunterleiern will, warum seine Firma unsere Rechnung nicht zahlen kann, dachte sie. Mr McCormick wird begeistert sein!
Aber sie konnte einen solchen Kunden nicht einfach abwimmeln, wenn dieser sich die Mühe machte, persönlich vorzusprechen. Immerhin gab es da ganz andere Leute, die ihre Rechnungen nicht zahlten und monatelang auch nicht auf schriftliche und telefonische Mahnungen reagierten. Und auch in diesem Punkt war Aleta nicht besonders kämpferisch: Es fiel ihr unendlich schwer, Geld für ihren Chef einzutreiben. Das hatte ihr schon des Öfteren Schwierigkeiten eingebracht.
“Ist gut, schicken Sie ihn mir in mein Büro!”, sagte Aleta schließlich.
Was für ein grauenhafter Tag, stöhnte sie innerlich und hoffte, der Kunde würde sie nicht allzu lange aufhalten. Heute werde ich mich nicht sofort einwickeln lassen, sondern auf die Zahlung der offen stehenden Posten bestehen!
Sie stand auf und wappnete sich mit einem professionellen Lächeln, als der Besucher schließlich eintrat. Er war nicht besonders groß, sehr elegant gekleidet und wirkte, als würde er einen Ballsaal und nicht das Buchhaltungsbüro der McCormick Industrial Supply Company betreten. Eine Reihe von glänzenden Abzeichen und Aufnähern zierte sein weißes Jackett. Er machte eine leichte Verbeugung vor Aletas Schreibtisch und ergriff ihre ausgestreckte Hand, um sie an seine Lippen zu führen. Der flüchtige Luftkuss oberhalb ihres Handgelenks überraschte Aleta. Eigentlich hatte sie dem Besucher die Hand schütteln wollen.
Etwas irritiert überlegte sie, wer dort vor ihr stehen mochte und entschied, dass er in jedem Fall der Firma eine ungeheure Menge Geld schulden musste.
“Sind Sie Aleta Maria Coronado Clayton?”, erkundigte er sich, und in seiner Stimme schwang ein starker Akzent mit. Aleta vermutete, dass seine Muttersprache Spanisch war. Mit einigen Kunden der Firma sprach sie selbst auch spanisch. Ihre Mutter hatte es ihr beigebracht. Aber sie war sich in diesem Moment nicht sicher, ob sie den Mann nicht beleidigen würde, indem sie ihm einen Wechsel zu seiner Muttersprache
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