Julia Extra Band 0297
hoffentlich nicht zu diesen furchtbar modernen jungen Leuten, Miss Marina, die nur Kaffee zum Frühstück trinken?“ Das sagte der alte Butler mit einem missbilligenden Seitenblick auf Lord Winterborne.
Marina konnte nicht anders – sie musste lachen. Er verhielt sich so pompös und überkorrekt, aber er war einfach anbetungswürdig.
„Himmel, nein, Henry“, entgegnete sie amüsiert. „Da, wo ich herkomme, verspeist so manch einer ein ganzes Pferd zum Frühstück.“
„Das erleichtert mich zu hören“, versetzte er steif, bückte sich zu ihrem Koffer herunter, hob ihn mit erstaunlicher Leichtigkeit hoch und ging voran.
Sie folgte ihm in ein großzügiges Foyer aus schwarzem und weißem Marmor. Hoch an der Decke hing ein riesiger Kronleuchter, eine elegante Treppe führte in die oberen Stockwerke, und an den Wänden hingen die Porträts einer ganzen Reihe aristokratischer Vorfahren des derzeitigen Earls.
Nicht, dass Marina etwas anderes erwartet hätte. Neugierig ließ sie den Blick schweifen, während sie die Stufen zur oberen Etage hochstieg.
„Ich habe Miss Marina im Rosenraum untergebracht, Mylord“, bemerkte Henry auf dem Weg nach oben.
„Sehr gut, Henry. Oh, und William wird gleich auf einen Bissen hereinkommen. Da er sich weigern wird, mit mir und Marina zu essen, servieren Sie ihm bitte etwas in der Küche. Und achten Sie darauf, dass er seine Medizin nimmt. Seine Arthritis plagt ihn heute Morgen wieder ziemlich schlimm.“
„Ich werde mich darum kümmern, Mylord. Das Frühstück wird in fünfzehn Minuten im Morgenzimmer serviert. Ich dachte, dass Miss Marina sich wahrscheinlich zuerst frisch machen möchte.“
„Oh, ja, Henry, das würde ich tatsächlich begrüßen“, erwiderte sie und musste lächeln, weil sie schon genauso klang wie die beiden.
„Was ist so lustig?“, flüsterte der Earl neben ihr, während sie Henry hinterhergingen.
„Ich selbst“, antwortete sie ebenfalls leise. „Jetzt passe ich mich doch schon den hiesigen Sitten an.“
„Nein, Sie nicht, Miss Marina“, neckte er leise.
„Oh, doch. Wahrscheinlich fange ich sogar an, nachmittags Tee zu trinken und Gurken-Sandwichs zu essen.“
„Was trinken Sie denn normalerweise nachmittags?“
„Nur Kaffee.“
„Ich bin auch ein Kaffeetrinker. Besonders morgens. Da brauche ich mindestens drei Tassen.“
„Das habe ich mir schon gedacht. Was ist mit dem cholesterin- und salzarmen Essen?“
„Das ertrage ich nur in begrenzten Mengen und morgens überhaupt nicht.“
„Ich lasse Marina nun in Ihren Händen, Henry“, sagte er lauter, sobald sie die erste Etage erreichten. „Wir sehen uns dann in einer Viertelstunde beim Frühstück, Marina. Henry wird Ihnen sagen, wo Sie hinmüssen. Und verspäten Sie sich nicht, sonst jagt er Ihnen mit einem Stock hinterher.“
Damit wandte er sich ab und ging eine kleinere Treppe hinauf, die ins zweite Geschoss führte, wo vermutlich seine Privaträume lagen.
„Sehr witzig, Mylord“, rief sein Kammerdiener ihm in drolligem Tonfall hinterher. „Beachten Sie ihn gar nicht, Miss Marina“, fuhr Henry fort, während er sie den Gang entlangführte. „Seine Lordschaft zieht mich mit Vergnügen auf. Das ist eine Angewohnheit von ihm aus seiner Kinderzeit. Damals war ich noch Butler auf Winterborne Hall, und Master James spielte mit leidenschaftlich gern Streiche.“
Ein solches Szenario konnte Marina sich kaum vorstellen. In ihrer Vorstellung war Lord Winterborne schon als Erwachsener auf die Welt gekommen.
Vor einer cremefarbenen Tür zur seiner Rechten blieb Henry stehen. Er öffnete sie und trat dann einen Schritt zurück, um Marina den Vortritt zu lassen.
Als sie den Raum sah, stockte ihr unwillkürlich der Atem.
„Oh, Henry!“, rief sie begeistert. „Das ist das schönste Zimmer, das ich jemals gesehen habe. Mein Gott, es würde einer Königin zur Ehre gereichen!“
Rosenblüten in den unterschiedlichsten Schattierungen von Hell-über Altrosa bis zu Dunkelpink zierten Tapete, Vorhänge und Bettwäsche. In einem kleinen Raum hätte das erdrückend wirken können, doch die Ausmaße des Zimmers waren riesig.
Neben dem Bett stand eine gemütliche Sitzecke mit einem Kamin aus cremefarbenem Marmor, beigegoldenen Armsesseln und einem antiken kleinen Tisch, auf dem eine Vase mit frischen Rosen stand. Der helle Teppich war flauschig und unheimlich dick, das goldene Metallbett sah einladend und romantisch aus.
Henry trug ihren Koffer herein und stellte ihn vorsichtig auf
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