Julia Extra Band 0313
für sie in meinem Heim aufzubauen.“
„Dann nimm das hier auch noch.“ Er nahm die große Porzellanpuppe hoch und hielt sie ihr hin.
Sie schüttelte den Kopf. „Die ist nicht von mir, sondern von deiner Mutter.“
„Nimm sie trotzdem. Sie hätte Cristobel gefallen.“
„Der Bär reicht“, erwiderte sie trotzig.
„Nimm sie.“
Er wollte ihr die Puppe in den Arm drücken, doch gleichzeitig zuckte sie zurück. Die Puppe fiel auf die Fliesen und zerbrach mit einem lauten Klirren.
„Jetzt sieh nur, was du angerichtet hast!“ Allegra schaute vorwurfsvoll von den Scherben zu Miguel.
Der starrte mit gerunzelter Stirn zu Boden und ging dann in die Hocke. „ Maldita sea ! Das ist ein Topaz.“ Er nahm den zerbrochenen Torso und schüttelte ihn kopfüber. Juwelen in allen Regenbogenfarben regneten zu Boden.
Allegra blinzelte und traute ihren Augen kaum. „Ist das der Schmuck, den ich angeblich gestohlen haben soll?“
„ Sí .“ Nur ein Gedanke wütete in seinem Kopf: Das hatte seine Mutter getan.
Es konnte keine andere Erklärung geben. Und keine größere Lüge. Seine Mutter hatte die Steine in der Puppe versteckt und ihn dann glauben gemacht, Allegra hätte sie gestohlen. Kein Wunder, dass sie so entsetzt gewesen war, als er Allegra wieder mit nach Hause gebracht hatte. Welche Lügen hatte sie ihm sonst noch aufgetischt?
„Wieso hasst sie mich so sehr?“ Allegra war neben ihm in die Hocke gegangen und starrte auf die Schmuckstücke.
Miguel sammelte die Juwelen ein. „Weil sie eine verbitterte Frau ist.“
„Und was wirst du nun tun?“
Was er längst hätte tun müssen – seine Mutter zur Rede stellen. „Ich werde mich zu gegebener Zeit um sie kümmern.“
„Es tut mir leid, dass sie uns das angetan hat.“
Ihm auch, denn es war eine unverzeihliche Täuschung. „Wohin gehst du?“, fragte er, als Allegra sich aufrichtete und zur Haustür ging.
„Zum Friedhof. Zum Grab meiner Tochter.“
Er schoss hoch, eine Handvoll Schmuck in der geballten Faust. „Aber ich verbiete dir, allein das Haus zu verlassen.“
Mit blitzenden Augen schwang sie zu ihm herum. „Du hast mir nichts zu verbieten!“
Dios mio ! Frustriert fuhr er sich mit den Fingern durchs Haar, wütend auf sich selbst und den Rest der Welt. Er konnte nicht zulassen, dass sich die Geschichte wiederholte. Irgendwie musste er sie zurVernunft bringen.
„Du weißt nicht, wie skrupellos Kidnapper sein können.“ Erinnerungen stürzten auf ihn ein, die er in der hintersten Ecke seines Gedächtnisses begraben hielt. „Hier in Mexiko witzelt man darüber, dass ‚Entführer‘ ein anerkannter Beruf ist. Viele
Geiseln werden unbeschadet wieder freigelassen, aber es gibt auch solche Kidnapper, denen es Spaß macht, ihre Opfer zu foltern.“
Sie wurde blasser. „Du hast sicherlich recht, aber ich bin es einfach nicht gewohnt, dass mir ständig ein Schatten folgt.“
„Dann wirst du dich daran gewöhnen müssen.“ Miguel konnte sehen, wie sie sich versteifte, und wusste, dass er die Sache völlig falsch angegangen war.
„Möglich“, entgegnete sie schließlich. „Falls ich bleibe.“
„Du wirst bleiben.“
„Du bist wirklich sehr überzeugt von dir“, erwiderte sie spöttisch.
„ Sí .Vor allem in dieser Hinsicht.“
Irgendetwas in seinem Ton schien anders gewesen zu sein – Angst? Unsicherheit? –, denn nun warf sie ihm einen forschenden Blick zu. „Was ist es, das du mir nicht sagst, Miguel?“
Er legte den Kopf in den Nacken und stieß schwer den Atem aus, als die dunkelste Stunde seines Lebens ihn wieder einholte. Die er nie mit jemandem hatte teilen wollen.
„Oh entschuldige, was denke ich mir nur?“ Ihre Stimme troff vor Sarkasmus. „Du teilst ja deine Überlegungen und Pläne nicht mit anderen. Vergiss einfach, dass ich überhaupt gefragt habe. Behalte deine Geheimnisse nur. Vielleicht halten sie dein Herz ja warm.“
„Ich war acht“, hob er schwer an, „als ich die Anweisung meiner Mutter missachtete und mit meinem kleinen Bruder zusammen zum Dorf ging. Es war Markttag, und ich wusste, für kleine Jungen würde es dort alle möglichen Leckerbissen geben.“
„Habt ihr euch mit Süßigkeiten vollgestopft?“
„Nein. Wir haben es nie bis ins Dorf geschafft.“ Er legte den Schmuck auf dem Altar seiner Tochter ab und stellte sich ans Fenster, starrte hinaus auf das Land der Hazienda, die mehr schlechte als gute Erinnerungen beherbergte. „Zwei Männer überfielen uns auf dem alten Sisalpfad.
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