Julia Extra Band 0318
stürzte zur Tür hinaus. Dabei warf er Beth einen Blick zu, in dem sie eine Entschuldigung zu erkennen glaubte.
Wenn er nicht wiederkommt, dachte sie bestürzt, muss ich seinem Onkel sagen, dass mein Plan nicht funktioniert hat und alles zwecklos ist.
Tatsächlich wäre es ihr nur recht gewesen, auf diese Weise nie wieder mit Ben Anderson sprechen zu müssen. Das jedenfalls traf auf den Teil von ihr zu, der angesichts Bens überwältigender Erscheinung nicht fast ohnmächtig geworden war. Der andere, erbärmlich schwache Teil von ihr war einer weiteren Begegnung mit Ben keineswegs abgeneigt.
Noch nie hatte Beth einen Mann erlebt, der so unwiderstehlich sexy war! Ben Anderson verkörperte pure maskuline Stärke. Alles an ihm schien vitale Männlichkeit auszustrahlen, von der Haltung seines durchtrainierten Körpers bis zu den markanten Gesichtszügen. Selbst die Nase, die nach einem Bruch nicht mehr ganz gerade zusammengewachsen war, unterstrich auf faszinierende Weise diese Männlichkeit. Von den Bewegungen seiner Muskeln und seinen verführerischen, leicht gewölbten Lippen gingen Kraft und Selbstsicherheit aus. Seine Augen waren sanft und warm, grün und klar, wie ein Waldsee im Sonnenschein. Sein Blick schien den Betrachter anzulachen.
Doch hinter dem Lachen in Bens Augen schien sich etwas zu verbergen. Ein Ort, so unerreichbar wie der Gipfel eines hohen Bergs. Dummerweise schadete das seiner Attraktivität keineswegs, ganz im Gegenteil, es machte ihn noch faszinierender. Um nicht zu sagen, begehrenswerter.
Kurz, Ben Anderson besaß das bestimmte unerklärliche Etwas, dem Frauen willenlos verfielen.
Und natürlich wusste er das.
Gestern Abend war Beth schnell klar geworden, wie unvorbereitet sie Männern wie ihm begegnete. Solche Männer traf man nicht an der Universität. Nein, dieser Typ Mann lebte an wilden, entlegenen Orten oder auf dem Schlachtfeld. Selbst wenn Kyle nicht erwähnt hätte, dass Ben ein Marine gewesen war, hätte sie es gespürt. Dieser Mann hatte etwas an sich, was anderen Männern fehlte. Sie sah den Krieger in seinem Gesicht und an der Art, wie er sich ruhig und gleichzeitig wachsam bewegte.
Dies war kein Mann, der zum Elternabend ging. Keiner, der sich nur der Familie widmete und nachmittags brav den Gartenzaun strich. Sie hatte öfter schon alleinerziehende Väter kennengelernt. Sie konnten durchaus attraktiv und gut gekleidet sein, aber keiner von ihnen war auch nur ansatzweise mit Ben Anderson vergleichbar.
Als Ben sie angesehen hatte, hatte sie tief in sich ein Zittern gespürt, wie ein beginnendes Erdbeben, das unter der Oberfläche brodelte.
Beth hasste das Gefühl, sich nicht unter Kontrolle zu haben! Wahrscheinlich hatte sie Ben deshalb den albernen Vortrag über den Pappmascheebaum als Unterrichtsmittel gehalten. Und dann dieses Zitat! Wer kam beim Anblick eines solchen Manns darauf, Aristoteles zu zitieren?
Im Reich der wilden und unkontrollierbaren Gefühle war Beth nicht zu Hause. Ihr letzter Ausflug dorthin hatte katastrophal geendet, mit einer großen Demütigung und einem gebrochenem Herzen.
Eigentlich hatte sie es besser gewusst. Es war äußerst unwahrscheinlich gewesen, dass ausgerechnet ihr so etwas passierte. Sie war gebildet, besonnen und einigermaßen konventionell, ja sogar ein bisschen konservativ. Trotzdem hatte sie sich übers Internet verliebt und sich völlig den Kopf verdrehen lassen.
Der Mann, in den sie sich verliebte, hieß Rock Kildore und entpuppte sich als komplette Lüge. „Rock“ war in Wirklichkeit Ralph Kaminsky, zweiundfünfzig Jahre alt, verheiratet und angestellt bei der Post in Tarpool Springs, Mississippi. Er war definitiv nicht der ledige, reiche, ständig um die Welt reisende, aber die meiste Zeit in Abu Dhabi arbeitende Computerspezialist aus Oakland in Kalifornien, der sich angeblich unsterblich in sie verliebt hatte. Ralph belog sie von vorn bis hinten. Selbst seine Fotos im Internet waren falsch.
Aber Beth glaubte ein ganzes Jahr lang nur das, was sie glauben wollte. Jeden Tag fieberte sie dem Moment entgegen, in dem eine neue E-Mail von Rock in ihrem Postfach einging. Oft plante sie träumerisch den Tag, an dem seine Arbeit und seine Reisen es zulassen würden, dass sie sich endlich träfen.
So vernarrt war sie, dass sie ihm seine Ausreden tatsächlich abnahm. Die pessimistischen Ratschläge ihrer Freunde nervten sie, und selbst die besorgten Äußerungen ihrer Eltern tat sie gereizt ab. Sie verstand ihre Sorge nicht,
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