Julia Extra Band 0350
Hannah in einem der tiefen, extravaganten Sessel Platz.
„Wie haben Sie Sergej eigentlich kennengelernt?“, wandte sie sich an Grigori.
Er blickte vorsichtig auf. „Hat er es Ihnen nicht erzählt?“
Sie lächelte arglos. „Nein.“
„Wir sind zusammen aufgewachsen“, antwortete Grigori schließlich.
„In derselben Stadt?“
Er sah sie verblüfft an. „Im selben Waisenhaus.“
„Waisenhaus?“ Hannah machte große Augen. „Ich dachte, er wäre bei seiner Großmutter aufgewachsen.“
„Nur, bis er zehn war.“
„Und dann ist sie gestorben?“, ließ Hannah nicht locker.
Grigori schien sich jetzt in seiner Haut sichtlich unwohl zu fühlen. „Nein, sie gab Sergej und … sie gab Sergej in ein Waisenhaus, weil sie genug hatte.“
Hannah schaute Sergejs Assistenten entsetzt an. „Und was ist mit seinen Eltern?“
„Die hat er nie gekannt.“ Grigori schüttelte besorgt den Kopf. „Ich hätte Ihnen das alles nicht erzählen sollen. Sie wissen doch, wie wenig Mr Kholodov von sich preisgibt. Bitte sagen Sie Sergej nichts davon. Ich möchte ihn auf keinen Fall enttäuschen.“
Enttäuschen, nicht verärgern. Grigori sprach immer mit allergrößtem Respekt von Sergej. „Natürlich werde ich es ihm gegenüber nicht erwähnen“, versprach sie und wartete dann schweigend, bis sich die Türen hinter ihr öffnen würden.
Es dauerte nicht lange. Sergej kam aus seinem Büro und wandte sich in schnellem Russisch an Grigori. Im nächsten Moment bemerkte er Hannah und verstummte. Seine Miene hellte sich auf. Ja, Hannah glaubte sogar, den Anflug eines Lächelns zu erkennen, bevor er sich wieder hinter seine gewohnt kühle Fassade zurückzog.
„Was machst du denn hier?“
„Hallo, ich freue mich auch, dich zu sehen.“ Es war gar nicht so leicht, aus diesen tiefen, modernen Sesseln elegant aufzustehen, aber irgendwie schaffte Hannah es. Wieder zuckte es belustigt um Sergejs Mundwinkel. Mutig stellte Hannah sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn, bevor sie ihn neckend anlächelte. „Ich wollte dich überraschen.“
„Mich überraschen“, wiederholte er übertrieben verständnislos.
„Ja, das macht Spaß.“ Sie verdrehte die Augen. „Verstehst du das Wort?“, fügte sie in bewusster Anspielung an ihre erste Begegnung auf dem Roten Platz hinzu.
Nach kurzem Überlegen rang Sergej sich nun wirklich zu einem kleinen Lächeln durch. „Ich glaube nicht. Aber du kannst mir ja zeigen, was es bedeutet.“
Erleichtert schenkte Hannah ihm ein strahlendes Lächeln.
„Grigori“, rief Sergej, während er sie schon zum Aufzug führte, „ich nehme mir den Rest des Nachmittags frei!“
„Brauchst du wirklich eine gepanzerte Limousine, um in Moskau herumzufahren?“, fragte Hannah neugierig, als sie in der Tiefgarage in seinen Privatwagen stieg.
„Ja.“ Sergej setzte sich hinters Steuer und schnallte sich an.
Sie sah ihn verblüfft an. „Warum?“
Er hatte nicht vor, ihr all die Gründe zu verraten oder zu erzählen, in was für Kreisen er sich einmal bewegt hatte. Seine Vergangenheit ging niemanden etwas an. „Ich bin ein reicher Mann. Und reiche Männer haben Feinde. Außerdem ist Moskau nicht Paris oder London. Du hast es doch selbst erlebt, wie schnell man hier bestohlen wird.“
„Taschendiebe gibt es überall auf der Welt.“
„Das stimmt.“ Sergej versuchte, sich zu entspannen. Warum konnte er es nicht einfach genießen, mit dieser wundervollen Frau zusammen zu sein? Stattdessen fühlte er sich seit jener Aussprache in Paris ständig befangen und verunsichert. „Wohin möchtest du denn?“, fragte er nun eine Spur zu schroff.
Sie lächelte unbeirrt. „Ich habe es nie geschafft, die Basiliuskathedrale richtig zu besichtigen.“
„Schön, dann machen wir das.“
Als sie eine halbe Stunde später langsam durch die berühmte Kathedrale spazierten, fiel die Anspannung allmählich von Sergej ab. Er fühlte sich in Hannahs Gesellschaft wohl und liebte es, sie lachen zu sehen. Es war also doch möglich.
„Erzähl mir von deiner Kindheit“, bat sie ihn unvermittelt.
Sofort horchte er auf. „Was möchtest du denn wissen?“
„Ich möchte einfach so viel wie möglich über dich erfahren“, antwortete sie betont beiläufig und wich seinem Blick aus.
Er blieb stehen. Sein Argwohn war erwacht. „Hat Grigori mit dir gesprochen?“
„Wie kommst du denn darauf?“
„Weil du eine furchtbar schlechte Lügnerin bist. Was hat er dir erzählt?“
Hannah zögerte. „Aber du darfst ihm
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