Juliregen
des Gutsherrn aber weitere Vorwürfe ins Gesicht.
Hannes stieg von einem Bein auf das andere. »Die schlägt die Miene noch tot«, flüsterte er der Köchin zu, wagte aber ebenso wenig wie die anderen Knechte, Malwine in den Arm zu fallen.
Auch ihr Sohn sah tatenlos zu. Er kannte die Wutanfälle seiner Mutter und verspürte wenig Lust, ihrem Rasen selbst zum Opfer zu fallen. Stattdessen wandte er sich schließlich ab und starrte wie gebannt auf die niedergebrannte Scheune, mit der der größte Teil des Wintervorrates vernichtet worden war.
Schließlich ging Graf Elchberg auf die tobende Malwine zu, packte ihren Arm und entwand ihr die Reitpeitsche. »Jetzt ist es genug!«, herrschte er die Frau an. »Lass die alte Miene gehen. Du weißt, sie ist nicht mehr ganz richtig im Kopf.«
Entgegen dieser Behauptung wusste Irmfried von Elchberg nur zu gut, dass die Anschuldigungen der Alten der Wahrheit entsprachen. Malwines Ehemann Ottokar von Trettin hatte tatsächlich das Haus seiner Kusine angezündet und damit deren Tod, den ihres Mannes und den von vier ihrer fünf Kinder verschuldet. Ottokars Kutscher war damals Zeuge geworden und hatte später, nachdem sein Herr versucht hatte, ihn als Mitwisser aus dem Weg zu räumen, diesen erschossen und anschließend Selbstmord begangen.
Auch wusste Irmfried von Elchberg von Malwines Liebschaft mit dem Trettiner Gutsinspektor. An der Stelle ihres Sohnes hätte er den Kerl längst zum Teufel gejagt – und das nicht nur dieses anstößigen Verhältnisses wegen. Der Kerl war ein Säufer und unfähig, einen Gutshof dieser Größe zu führen. Doch dieses Problem war Gott sei Dank nicht seine Angelegenheit. Ohne Malwine und deren Sohn noch eines Blickes zu würdigen, warf er die Reitpeitsche fort und wandte sich seinen Knechten zu, die untätig neben ihrer Spritze standen. Es war nichts mehr zu tun, das Wetter selbst verhinderte, dass ein weiteres Gutsgebäude in Flammen aufgehen konnte.
»Kommt, Leute, wir kehren nach Hause zurück. Dort zieht ihr euch trockene Kleidung an, und danach gibt es in der Gesindeküche einen Imbiss und einen Krug Bier für euch!« Irmfried von Elchberg klopfte jedem Knecht, der mit ihm gekommen war, anerkennend auf die Schulter, schwang sich in den Sattel und ritt davon.
Hannes sah ihm nach und seufzte. Der Graf wäre ein Herr nach seinem Geschmack, doch der Himmel hatte ihn auf Trettin zur Welt kommen lassen und nicht auf Elchberg. Seinen jetzigen Dienst aufzusagen und drüben anzufragen, ob man ihm Arbeit geben würde, wagte er nicht, denn so etwas wurde nur ungern gesehen.
III.
N achdem auch die Feuerwehrleute aus Bladiau das Gut wieder verlassen hatten, erinnerte sich Hannes an den Heuwagen und sah sich suchend um. Beim Anblick der Wiese zuckte er zusammen. Der Starkregen hatte das restliche Heu mit sich geschwemmt und in den Bach gespült. Dann entdeckte er eine auf dem Boden liegende Gestalt, die den Oberkörper mit einem Arm abstützte und mit dem anderen verzweifelt winkte.
»Ursel!« Hannes rief einem Knecht zu, mit ihm zu kommen, und rannte los. Nun sahen die beiden auch den Wagen. Dem Rossknecht war es gelungen, die Pferde einzufangen, und er führte die triefnassen Tiere durch tiefe Pfützen auf den Gutshof zu. Der Wagen hing schief über den Rädern, und selbst auf die Entfernung war zu sehen, dass eine Achse gebrochen war.
»Hat das auch noch sein müssen?«, stöhnte Hannes, vergaß das Gespann aber wieder, als er die greinende Magd erreichte.
»Was ist passiert?«, fragte er besorgt.
Ursel brachte zunächst kein Wort heraus. Dann zeigte sie auf ihren linken Oberschenkel. »Ich bin vom Wagen gefallen und habe mir das Bein gebrochen.«
»Herrgott im Himmel, nur das nicht!« Hannes’ Stoßgebet kam zu spät, denn es war unschwer zu erkennen, dass das Bein der Magd unnatürlich verdreht war.
»Wir brauchen eine Trage. Lauf zum Gut und hol eine!«, wies er den Knecht an und kniete neben Ursel nieder. Sie war völlig durchnässt und zitterte vor Kälte.
»Es wird schon wieder alles gut, Mädchen«, tröstete er sie und schrie hinter dem davoneilenden Knecht her: »Sorge dafür, dass der Doktor geholt wird!«
Ursel fasste nach seiner Hand. »Du bist ein guter Mann, Hannes, und hättest einen besseren Dienst verdient als hier auf Trettin.« Sie begann zu stöhnen und bat den Vorarbeiter, ihr einen Zipfel seines Hemdes in den Mund zu stopfen, damit sie darauf beißen konnte.
»Es tut so weh«, flüsterte sie unter Tränen.
Hannes
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