Justifiers - Hard to Kill: Justifiers-Roman 8 (German Edition)
Trotzdem war es alles andere als eine Anfängerstrecke, weil sich die Höhle nach oben verjüngte und es nicht allzu viele Spalten im Gestein gab. Toro hatte es längst aufgegeben, sich als Freeclimber zu versuchen, er lehnte schwer in seinem Klettergeschirr, beide Hände am Sicherungsseil, und zog sich verbissen vorwärts.
»Arris, Vorsicht«, warnte Eddie übers JUST . »Wir wissen nicht, wie es vor uns aussieht und ob die irgendwo aus dem Wasser können. Ich habe schon eine aus dem Stand vier Meter hoch springen sehen.«
»Komischer Zeitpunkt für die Frage«, sagte Argon irgendwo weiter vorn. »Aber warum nennt ihr die Dinger Lucies?«
Dieselbe Frage, die ihm Wolf gestellt hatte. »Ich hab mal eine Frau gekannt, an die sie mich erinnern«, erwiderte Morbus knapp und überprüfte zum etwa zehnten Mal, ob er problemlos an die Finch kam.
Vor ihm schnaufte Toro abfällig, er roch ähnlich muffig wie der feuchte Fels. »Deine Ex oder deine Mutter?«
»Vorsicht«, grunzte er. »Wie weit müssten wir es noch ungefähr bis zum Plateaurand haben?«
»’nen Kilometer«, antwortete Argon. »Vielleicht anderthalb. Aber ist ja nicht gesagt, dass es da rausgeht. Vielleicht stürzt der Fluss auch einfach unterirdisch in irgendein Höhlensystem.«
Eine besonders große Lucie trieb unter ihnen vorbei, ihre lumineszierende Haut warf schimmernde Reflexe auf das schwarze Wasser. Morbus schaute ihr hinterher. »Wenn die sich da vorn irgendwo alle sammeln, dann gute Nacht«, sagte er düster.
Eddie schnaubte angewidert. »Macht richtig Spaß mit euch. Ehrlich, ich werd’s weiterempfehlen.«
Eine Weile war es still. Zwei weitere Lucies platschten ins Wasser. Morbus hielt kurz inne und beobachtete sie, um zu bestätigen, was ihm aufgefallen war. »Sie können nicht schwimmen.«
»Ich sehe sie nicht ertrinken«, gab Eddie knapp zurück.
»Sie gehen nicht unter«, stimmte Morbus zu, »aber sie schwimmen auch nicht. Sie treiben oben, aber sie haben keinerlei Kontrolle.« In letzter Sekunde merkte er, dass der kleine Absatz, auf den er treten wollte, zu schmal und glitschig war, und suchte sich einen anderen Halt.
»Dann haben wir ja was gemeinsam«, frotzelte Argon. »Wie hält sich der Junge?«
Über Toros riesigen Leib hinweg, der sich mühsam die Wand entlangquälte und mit roher Kraft ausglich, was ihm an Technik eindeutig fehlte, versuchte Morbus einen Blick auf den Jungen zu erhaschen, da antwortete Eddie bereits: »Gut. Erstaunlich gut.«
Morbus wandte den Blick wieder ab und schaute zurück.
Weit entfernt erschien ein heller Fleck in dem Loch, aus dem sie gekrochen waren. Er stürzte nicht sofort in den Fluss, sondern hielt sich einen Augenblick. Mit gerunzelter Stirn zoomte Morbus näher heran und sah, wie ein ziemlich ordentlich geratenes Exemplar versuchte, Halt am Fels zu finden. Bevor es gelingen konnte, schob von hinten etwas nach. Kurz hing sie zappelnd an einem Bein, dann ging es abwärts.
Um von dort aus zu ihnen zu klettern, hätten die Biester eine gewisse Strecke fast kopfüber bewältigen müssen. Es war nicht möglich, dass sie das schafften. Es war ganz einfach nicht möglich.
Zwei weitere Lucies stürzten ins Wasser, die nächste schlug die Krallen in den Fels. Für einen Augenblick hing sie wie eine Fledermaus an der Wand, scheinbar schwerelos. Morbus glaubte ein triumphierendes Kreischen zu hören. Dann stürzte sie ab.
»Passt auf, wenn eine es bis an den Rand des Wassers schafft«, sagte er. »Am besten gleich schießen, dass sie wieder in den Fluss gestoßen wird. Von da unten schaffen sie es rauf, wenn sie erst mal Halt haben.«
»Sicher?«, fragte Argon skeptisch.
»Todsicher«, antwortete Morbus und überprüfte die Verbindung der Finch zum Gürtelakku, der schwer, aber beruhigend um seine Hüften lag.
»Wo isser denn hin?«, wunderte sich Nox, als das ferne Glühen, dem er seit einigen Minuten folgte, plötzlich verschwunden war.
Sky antwortete nicht.
Nach einem unerfreulichen Wortwechsel hatte sie sich aufgemacht, um sich angenehmere Gesellschaft zu suchen, was wohl hieß, sie zog entweder die Monde vor, die Jäger oder das Nichts und die Stille. Er war nicht beleidigt, aber es war doch schade, wenn niemand antwortete. Andererseits verstand er ihre Gereiztheit. Zu jagen, wenn man keinen Körper mehr sein Eigen nannte, war keine Freude. Kein Wind, der Versprechungen flüsterte, kein heißes Blut, das gleichmäßig durch die Adern pulste, kein leiser Schmerz in den angespannten
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