Kaisertag (German Edition)
alledem nichts, gar nichts zu tun.«
Rommel wartete geduldig, bis Prieß’ Redeschwall verebbt war. Dann fixierte er ihn mit seinen durchdringenden hellen Augen, die viel jünger wirkten als der Rest des gebrechlichen Körpers. »Sind Sie fertig?«, fragte er ruhig, mit einem subtilen mitleidigen Unterton. »Sehr gut. Ich glaube Ihnen, dass Sie nicht zu den Schatten gehören. Das Gegenteil wäre auch ganz unmöglich. Wir sind nämlich die Schatten.«
Auf nahezu jede Reaktion war Prieß gefasst gewesen, doch nicht auf diese.
»Und Sie sind auch nicht hier, weil wir Sie ermorden wollen, sondern weil wir Ihre Hilfe benötigen«, sprach der Feldmarschall weiter. »Wir wissen, dass Sie versucht haben, die Wahrheit über Oberst Diebnitz’ Tod herauszufinden – und dass Sie dabei beinahe Ihr eigenes Leben verloren hätten und zudem in der vergangenen Nacht ein fast schon dreistes Wagnis eingegangen sind. Sie haben eindeutig viel erfahren, und wir brauchen diese Informationen dringend. Schildern Sie uns daher in allen Einzelheiten, welche Absichten Sie verfolgen und was Sie bisher in Erfahrung bringen konnten.«
»Ich denke überhaupt nicht daran!«, weigerte sich Prieß, der seine Verwirrung schnell überwunden hatte. »Sie können mir schließlich viel erzählen. Wer sagt mir denn, dass Sie wirklich die Schatten sind? Und selbst falls das wahr sein sollte – ich weiß von Ihnen dann nur, dass Sie Diebnitz’ Mördern gelegentlich Ärger bereiten. Das macht Sie noch nicht zu Engeln. Ich habe heute Nacht gelernt, dass sich auch hinter Titeln und Uniformen elende Schurken verstecken können. Nein, ich habe keinen Grund, Ihnen etwas von dem zu verraten, was ich weiß.«
Rommel legte missmutig die Stirn in Falten. Er war es nicht gewohnt, dass man ihm widersprach. Das hätte er Prieß wohl auch unumwunden klargemacht, wäre nicht in diesem Moment Alexandras Geduld erschöpft gewesen.
»Würde mir vielleicht jemand erklären, was hier gespielt wird?«, schaltete sie sich ungehalten ein. »Ich weiß nicht, was es mit diesen Schatten auf sich hat, ich weiß nicht, wieso Sie uns hergebracht haben, und ich verstehe erst recht nicht, weshalb ich ausgerechnet Sie« – sie sah in Frahms Richtung – »hier antreffe, Herr Senator.«
»Sie müssen jetzt sehr von mir enttäuscht sein«, sagte Senator Frahm bekümmert. »Doch ich gebe Ihnen mein Wort, dass es dazu keinen Anlass gibt. Wir verfolgen ehrenhafte Ziele, Frau Dühring.«
Voller Skepsis hob Alexandra die Augenbrauen. »Tatsächlich? Und wieso dann dieses Versteckspiel, wenn Sie nichts zu verbergen haben? Wozu Entführungen und all diese Heimlichtuerei? Nein, Herr Senator, wenn ich Ihnen glauben soll, dass Sie ehrenhafte Ziele haben, wie Sie es nennen, dann erklären Sie uns, was diese Inszenierung soll. Vorher haben Sie keine Hilfe zu erwarten.«
Frahm wusste nicht, was er sagen sollte; er wirkte beschämt und ratlos. Da meldete sich Paul von Rabenacker zu Wort und meinte schlicht:
»Frau Dühring hat recht. Wir sollten sie und Herrn Prieß einweihen.«
»Das ist ganz unmöglich, Herr von Rabenacker«, wandte eine ernst aussehende Frau in grauem Kostüm am anderen Ende des Tisches ein, »dieses Risiko dürfen wir nicht eingehen.« Sie unterstrich ihre Ablehnung durch energisches Kopfschütteln, und einige andere Anwesende schlossen sich ihr an. Doch nicht alle teilten ihre Ansicht.
»Es zeugt zwar von einem Mangel an Umgangsformen, einer Dame offen zu widersprechen«, sagte ein älterer Herr, der bis dahin nur gedankenverloren auf einem Blatt Papier herumgekritzelt hatte, »aber in diesem Fall scheint es mir bedauerlicherweise unumgänglich. In der Tat denke ich, dass Frau Dühring und Herr Prieß berechtigten Anspruch darauf haben, über uns und unsere Tätigkeit umfassend aufgeklärt zu werden. Wir können sie immerhin nicht zwingen, uns zu unterstützen. Folglich müssen wir sie von unseren guten Absichten überzeugen.«
»Das sehe ich ebenfalls so, Herr von Bülow«, erwiderte Rommel und wandte sich Friedrich und Alexandra mit den Worten zu: »Falls wir Ihre Fragen zu Ihrer Zufriedenheit beantworten und es uns gelingt, Ihnen die Motive für unser Handeln nahezubringen, werden Sie dann mit uns zusammenarbeiten?«
Alexandra blickte Prieß fragend an. Der Detektiv wirkte unschlüssig, und im gleichen Moment, als er sich entschloss, zustimmend zu nicken, antwortete die Polizeipräsidentin schon: »Wir sind einverstanden.«
Rommel atmete tief durch wie jemand,
Weitere Kostenlose Bücher