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Kalifornische Sinfonie

Kalifornische Sinfonie

Titel: Kalifornische Sinfonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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vermutlich außer Texas auch noch Kalifornien gewinnen.«
    »Dummes Zeug!« sagte Garnet. Sie stand auf und ging zu ihm hinüber. »Es interessiert mich nicht, wem Kalifornien gehört«, fuhr sie fort. »Und dich interessiert es ebensowenig. Es ist nur so: Charles gehört zu den Leuten, die eher sterben als zugeben würden, daß sie nicht alles fertigbringen, was sie sich in den Kopf gesetzt haben. Sie meinen, alle Menschen müßten nach ihrer Pfeife tanzen. Du wirst mich jedenfalls nach Hause bringen.«
    »Ja, Garnet«, sagte Oliver, »ich werde dich nach Hause bringen.« Aber er seufzte dabei, als sei er es müde, ständig zwischen Garnet und Charles hin und her gerissen zu werden. Garnet empfand sehr deutlich, wie schwach und kraftlos dieses Versprechen würde, wenn es Charles gelang, ein starkes und überzeugendes Argument dagegen vorzubringen. Sie wußte in diesem Augenblick: Hinfort würde sie Tag für Tag eine Schlacht gegen Charles auszufechten haben, und das würde so lange währen, bis Oliver und sie sich wieder beim Treck befanden. Sie sagte sehr ernst und sehr nachdrücklich:
    »Denke daran, Oliver. Du hast es versprochen, und ich werde dich von diesem Versprechen nicht entbinden.«
    Oliver nickte. »Ja, Garnet, ich habe es versprochen. Ich werde mit Charles nach Los Angeles reiten und werde ihm meinen Anteil an der kalifornischen Besitzung urkundlich übertragen. Dann werden wir beide nach New York zurückkehren. Vertraust du mir nicht?«
    Garnet ließ ihren Kopf auf seiner Schulter ruhen. Sie war so müde, und sie fühlte sich so elend, daß es gut tat, sich an ihn anlehnen zu können. Es hämmerte in ihrem Kopf: bei jedem Schlag ihres Herzens dröhnte es in ihren Schläfen. »Oliver«, murmelte sie, »ich muß mich hinlegen. Ich bin krank. Es war zuviel heute abend. Ich kann jetzt nicht mehr länger darüber reden.«
    Er war voller Zartheit und Mitgefühl. »Liebe«, sagte er, »du hast so viel aushalten müssen – durch meine Schuld. Komm, ich will dir behilflich sein.«
    Er half ihr beim Auskleiden, trug sie ins Bett und hüllte sie in die Decke. Bald danach legte er sich neben sie, nahm sie sacht in die Arme und flüsterte ihr zu, wie sehr er sie liebe. Nie im Leben, versicherte er, wolle er ihr wieder Kummer bereiten.
    Dann schlief er ein. Garnet aber lag noch lange schlaflos neben ihm. Ihre Kopfschmerzen ließen allmählich nach, aber ihr Gemüt war hoffnungslos verwirrt. Sie war enttäuscht und zornig und schuldbewußt und verängstigt zugleich. Sie hatte es bis zum Überdruß satt, neue Orte, neue Menschen kennenzulernen und neue Erfahrungen zu machen. Sie sehnte sich nach Vertrauen und Wärme. Sie dachte an die starke, vitale Lebensfreude, die auf dem Treck geherrscht hatte, und sie sehnte sich danach zurück. Die nackten, dunklen Gebirgszüge im Osten erschienen ihr wie eine Gefängnismauer, hinter der sie bis zum nächsten Frühling gefangensaß. Bis zum nächsten Frühling! Es kam ihr vor, als sei er noch tausend Jahre entfernt. Endlich, spät in der Nacht, schlief sie ein.
    Sie erwachte ganz plötzlich durch ein Geräusch. Bevor sie noch völlig wach war, wußte sie, daß sie dieses Geräusch kannte, daß sie es schon früher gehört hatte, aber das war endlos lange her, und es war aufregend und überraschend, es jetzt plötzlich und unvermittelt wieder zu vernehmen.
    Oliver schlief noch. Garnet hob lauschend den Kopf, dann richtete sie sich ruckhaft im Bett auf und stieß einen Seufzer des Entzückens aus. Es regnete. Hunderte von Meilen waren sie durch Wüste und Gebirge gezogen, von Sonne und Staub gequält, nach einem Tropfen Wasser lechzend, und nun plötzlich regnete es. Garnet hatte sich schon damit abgefunden, daß es in diesem trostlosen, schmutzigbraunen Land Kalifornien so etwas wie Regen nicht gäbe.
    Sie konnte das Rieseln und Plätschern draußen hören. Ein heftiger Wind strich über das Haus und zerrte an den Fensterläden. Garnet sprang auf, lief barfuß zum Fenster, stieß die Läden auf und schob die untere Scheibe hoch. Sie roch den Regen, sie atmete den berauschenden Duft von feuchter Erde und schmeckte die Feuchtigkeit auf den Lippen. Irgendwo im Haus brannte noch eine Lampe; ein schwacher Lichtschein fiel aus einem Fenster in die Nacht hinaus; jetzt konnte sie den Regen sogar sehen; er stand wie ein Vorhang aus glitzernden Schnüren in der Dunkelheit.
    Garnet begann in der kalten Nachtluft zu zittern. Dennoch streckte sie die Arme zum Fenster hinaus und spürte

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