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Kalte Macht: Thriller (German Edition)

Kalte Macht: Thriller (German Edition)

Titel: Kalte Macht: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Faber
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arbeitete sie nur gelegentlich dort. Vielleicht … Er suchte nach Ausflüchten. Lächerlich. Er stand auf und holte sich noch einen Gin, den er gleich im Stehen trank und der so scheußlich schmeckte, dass ihm schlecht wurde. Gin, der einzige Schnaps, der mit jedem Glas noch mieser schmeckte. Gin konnte man sich nicht schönsaufen. So wenig wie die Entdeckung, die Henrik an diesem Tag gemacht hatte. Zwei Entdeckungen eigentlich. Erstens, dass Michelle eine Professionelle war. Und zweitens, dass er selbst zu dämlich war, das zu erkennen. Aber wenn sie dort doch nur in der Verwaltung arbeitete? Oder als Putzkraft? Er musste laut lachen, als er sich ausmalte, wie die heißeste und begabteste Frau am Ort bei den hässlichen Nutten die Zimmer putzte. Es brauchte zwei weitere Gins, bis er sich wieder im Griff hatte. Der Schnaps stieg ihm zu Kopf. Er würde hinfahren, jetzt gleich, würde sie da rausholen und … Ach was, einen Scheißdreck würde er tun. Er war viel zu besoffen, um Auto zu fahren.
    Henrik ging ins Schlafzimmer und ließ sich aufs Bett fallen. Ihm war speiübel. Ihm war so schlecht, dass er sich am liebsten aus dem Fenster gestürzt hätte. Eine Weile sah er hinüber zum Fenster, das gekippt war und durch das kalter Wind hereinzog, vielleicht um ihn mitzunehmen. Doch dann fand er die Kraft nicht mehr aufzustehen, sondern konnte sich nur noch zur Seite rollen und stöhnen. »Oh Michelle.« Und dann, nach einer Weile: »Oh Natascha.« Sie konnte ihm in dieser beschissenen Situation auch nicht helfen. Niemand konnte ihm helfen. Mit letzter Kraft stellte er die Ginflasche auf dem Teppich ab, dann stürzte er in eine nie gekannte Ohnmacht.
    *
    Ein Klopfen an der Tür riss Natascha aus ihren Gedanken. Es war Petra. »Ja?«
    »Herr Berg fragt an, ob du mit ihm zu Abend essen möchtest. Er hat dich am Fenster stehen sehen.« Die Sekretärin konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. Sie wusste, dass Natascha David Berg attraktiv fand.
    »Okay. Sag ihm, wir sehen uns in zwanzig Minuten im Casino.«
    »Sag ich ihm.«
    »Wie kommt es eigentlich, dass Sie ständig hier sind?«, fragte Natascha, als sie ihm eine halbe Stunde später in der Kantine gegenüberstand. Wie immer saß David Berg unverschämt lässig da und trank sein Wasser. Oscar Wilde mit Champagner hätte nicht cooler aussehen können. Oder George Clooney mit Kaffee. »Nette Begrüßung«, stellte er fest. »Ich freue mich auch, Sie zu sehen.«
    »Im Ernst, Sie haben doch Ihr eigenes Amt.«
    »Sicher. Aber ich bin nicht Sprecher meines Amtes, sondern Sprecher der Bundesregierung. Und deren Herz schlägt nun einmal hier.« Er lächelte amüsiert und erhob sich leicht, als Natascha Eusterbeck sich ihm gegenübersetzte. »Karte schon studiert?«
    »Es gibt, was es jeden Donnerstag gibt. Und à la carte gibt es um die Zeit sowieso nicht mehr. Da werden wir mit dem vorliebnehmen müssen, was man uns gnädig übrig gelassen hat.«
    »Reste also. Ich fühle mich ganz wie zu Hause.«
    Tatsächlich gab es noch Kürbissuppe, Schnitzel und eine obskure Creme, von der die Bedienung nicht zu sagen vermochte, woraus sie bestand. Also bestellten sie beide das Schnitzel und unterhielten sich, während sie warteten, über den G8-Gipfel vom Wochenende, obwohl es eigentlich nichts Neues gab: Es ging nur noch darum, wer schneller und mehr Geld verbrennen konnte, um »die Märkte zu beruhigen«. Seit die sogenannten »Gipfel« in immer kürzeren Frequenzen aufeinanderfolgten, war der Pressesprecher nur noch unterwegs. »Wenn meine Frau wissen will, wo ich bin, muss sie nur den Fernseher einschalten«, scherzte Berg müde. »Das ist ein solcher Irrsinn geworden, dass wir oft morgens nicht wissen, in welchem Hotel wir eigentlich sind.«
    »Wir?«
    »Das gilt für alle.« Er sah ihr in die Augen. Lächelte. »Für eine Affäre ist gar nicht genug Zeit vorhanden, falls Sie das meinen.«
    »Schade eigentlich«, sagte Natascha und erschrak im gleichen Moment selbst. Berg dagegen schien diese Feststellung fast dankbar hinzunehmen. »Ja«, murmelte er. »Wofür macht man den Job.« Einen Augenblick glaubte Natascha, er könnte es ernst meinen, doch dann zwinkerte er und lachte: »Wir können ja daran arbeiten.« Er sagte es, wie man Dinge sagte, die man halb im Scherz sagte – eben auch halb ernst gemeint. Und Natascha wusste, dass er wusste, dass sie das wusste. »Die Schnitzel kommen«, stellte sie fest.
    »Die Schnitzel haben schon die Wiener aus heiklen Belagerungen

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