Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition)
sondern durch fortwährende gute Werke in Seinem Lobpreis fortzufahren, auf daß Er, der unserem Königtum so große Ehren erwies, uns und unser Königtum auf ewig Seinen Schutz zu gewähren erwürdige: Deshalb gefiel es uns, eure Aufmerksamkeit, ihr Priester der Kirchen Christi und Führer ihrer Herde, ihr helle Leuchten der Welt, zu bitten, in wachsamer Sorge und emsiger Mahnung das Gottesvolk zur Weide ewigen Lebens führen zu wollen und die verirrten Schafe auf den Schultern wahrer Vorbilder und Lehren in die Mauern kirchlicher Sicherheit zurückzutragen, damit der gierige Wolf keines von ihnen finde, das die kirchlichen Gebote verletzte oder die väterlichen Überlieferungen der universalen Konzile übertrat, und – fern sei es! – verschlinge». Karls ungewöhnlich ausführliche Eröffnung der Versammlung, das «Vorwort» der «Admonitio», bekundete Grund und Ziel königlichen Handelns. Sie war Königsrede schlechthin, ihre Sprache an biblische Vorbilder angelehnt und bemerkenswert bildhaft. Metaphern, nicht Abstraktionen lenkten die Zielsetzungen.
«Ich, Karl, durch die Gnade Gottes und seine schenkende Barmherzigkeit König und Lenker des Frankenreiches und ergebener Schutzherr der heiligen Kirche und ihr demütiger Helfer» – mit programmatischer Titulatur eröffnete Karl das programmatische Edikt, das – wie man gesagt hat – «die Autorität einer Urkunde, die Verbindlichkeit eines Briefes und die Überzeugungskraft einer Predigt bündelte»[ 92 ]. Hier sprach, gleich manchem seiner Vorgänger, seines Vaters und Onkels, vermutlich auch Justinians[ 93 ], der Gesetzgeber, selbstbewußt und demütig: «Ich, Karl». Das Volksollte im Geist christlicher Liebe zum ewigen Leben geleitet, Falsches gebessert, Überflüssiges beseitigt und das Richtige zusammengestellt werden[ 94 ]. Karl folge dem Vorbild des «heiligen Josias», des biblischen Königs, der das Reich umfuhr, das Gott ihm verliehen hatte, um zu bessern und zu mahnen und den Kult des wahren Gottes zu erneuern. Nicht, daß er, Karl, sich Heiligkeit anmaße, wohl aber geselle er sich den Heiligen zu, weil er allenthalben, so gut er könne, ihrem Vorbild an Eifer für ein gutes Leben zu Preis und Ruhm Jesu Christi folgen wolle.
Karl handelte nach den Stichworten, die, wie ihn dünkte, der biblische König dem Frankenkönig zurief: Umfahren, Bessern, Mahnen, Erneuern. Die eben mit ihren Einleitungsworten zitierte «
Admonitio generalis
» von 789 bündelte des Königs Ziele. Hier sprach – und sei es durch den Mund der Synodalen – Karl, der Verteidiger des Glaubens, der Gesetzgeber auch für die Kirche. Nichts sollten die Adressaten außer acht lassen, was dem Volke Gottes nütze. Notwendiges (
necessaria
) und Nützliches (
utile
) sollten sie zusammenstellen, auf daß der allmächtige Gott die Sorgfalt der kirchlichen Stände und weltlichen Machthaber und den Gehorsam der Untertanen mit ewiger Glückseligkeit vergelte. Deshalb hatte der König die Bischöfe, Äbte und Grafen im März des Jahres 789 zu sich nach Aachen bestellt. Es war der erste große Hoftag, die erste Reichssynode, die er dorthin einberief, wo er bald für dauernd residieren wird.
Umfassend wie nie zuvor ließ Karl den Reformbedarf zusammenstellen; 80 und mehr Kapitel füllten den Katalog[ 95 ]. Soweit erkennbar, lieh Alkuin dem König für die Schlußredaktion die Feder; Wortwahl, Stil und Inhalt deuten darauf hin. Der gelehrte Angelsachse war unlängst erst, im Jahr 786, und vielleicht eben zu dem Zweck im Frankenreich und am Königshof eingetroffen, um dem Herrscher bei dessen längst geplanten Reformen von Reich und Kirche zur Seite zu stehen. Schon im folgenden Jahr, nachdem die «Admonitio» verkündet war, kehrte er in seine Heimat zurück, um erst drei Jahre später wieder und endgültig in die Dienste des Frankenkönigs zu treten. Alkuin erstellte – ohne Zweifel nach Karls Willen und nach eindringlicher Beratung mit allen Ratgebern desKönigs – einen einzigartigen Text. Am 23. März 789 wurde er ausgefertigt. Seine breite über das gesamte Reich mit Einschluß Italiens gestreute Überlieferung sowie die überprüfbare Wirkungsgeschichte der «Admonitio» lassen in diesem Kapitular – von Endzeitwissen diktiert – eine Art Grundgesetz des karolingischen Frankenreiches erkennen[ 96 ]. Vom Papst war zwar keine Rede; aber er war durch Hadrians «Collectio», der zahlreiche Normen entlehnt wurden, präsent.
29 Einbandzeichnung der ehemals Fuldaer Handschrift
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