Karma-Attacke (German Edition)
Kontinente fliegen. Sie erreicht die Zielperson. Dring in sie ein! Zwing ihr deinen Willen auf! Wenn du wirklich an dich glaubst, kann sich dir kein Mensch widersetzen. Das schafft höchstens ein Hillruc.
Durch die geschlossenen Augen schien Ackers besser zu sehen. Es war ein Blick in eine andere Welt. Er sah drei Sonnen und spuckende Vulkane. Wie zuckende Blitze fielen Congas von den Bäumen und suchten zischelnd ihren Weg in dunkle Erdritzen.
Bin ich jetzt total verrückt? Ist das hier Thara? Ist das eine Erinnerung? Sehe ich mit den Augen von Professor Ullrich?
Ackers wusste nicht, was mit ihm geschah. Aber er spürte in sich eine enorme Kraft und überließ sich ihr. Es war wie ein Rausch. Hundertmal stärker als Alkohol schoss er durch seine Magenschleimhaut direkt in die Blutbahn. Die Wirkung der Injektionen ließ nach. Er spürte den Schmerz wieder und genoss ihn. Er reckte sich, hielt aber die Augen weiterhin geschlossen, um klarer sehen zu können. Jetzt konnte er tatsächlich in das Gehirn von Professor Ullrich eindringen.
In der Innenstadt von Köln stand ein wankender Mann mit verbundenen Wunden und vernarbtem Gesicht. Er war schweißüberströmt, knirschte mit den Zähnen und versuchte, mit seinen Gedanken jemanden zu beeinflussen, der in der Bamberger Gartenstadt saß. Über einem italienischen Restaurant, umgeben von Oreganoduft, Basilikum und einem Hauch Knoblauch.
Ackers hatte keine Ahnung, ob es klappen würde. Er überließ sich Xu. Und plötzlich fühlte er sich nicht mehr wie ein Versager.
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Schon im normalen Klinikalltag wäre das Fehlen der Putzfrau Marga Vollmers schmerzlich aufgefallen, unter den gegebenen Umständen aber löste es geradezu Hysterie aus. Für die neue Geschäftsführerin Katrin Reb war Marga bereits eine ausgeweidete Leiche. Wie Henrike Schneider, Ralf Rottmann und Frau Dr.Sabrina Schumann. Das alles bildete für Katrin Reb eine gerade Linie, und als nächstes Opfer sah sie sich selbst. Zum ersten Mal im Leben dachte sie daran, einen Job hinzuschmeißen. Sie spürte den Drang, sich die Haare zu färben, einen neuen Namen anzunehmen und sich mit falschen Papieren irgendwo im Ausland eine neue Existenz aufzubauen. Kellnerin, Hausfrau, Bäuerin - völlig egal. Nur möglichst weit weg von diesem Monster.
Als Harald van Ecken die offenbar fluchtartig verlassene Wohnung von Marga Vollmers betrat, schloss sich für ihn ein Kreis. Es wunderte ihn nicht mehr, dass in Frau Dr.Schumanns Haus Margas Fingerabdrücke gefunden worden waren. Sofort gingen ein Foto der Putzfrau und eine Beschreibung ihres Polos an sämtliche Dienststellen.
«Sie könnte noch leben», sagte Staatsanwältin Benthin und registrierte den Zweifel in van Eckens Augen mit Sorge. Es kam ihr so vor, als wüsste er mehr, als er sagte. Es gab etwas, womit er nicht herausrückte. Entweder befürchtete er, seine Vermutungen könnten sich als unhaltbar erweisen, oder, und auch das hielt sie für möglich, er wusste noch nicht, ob er ihr die ganze Wahrheit zumuten konnte.
Sein Verhalten provozierte sie. Sie stellte sich vor, wie er vor ihr kniete. Sie ließ eine dünne Peitsche über seinen Rücken klatschen, bis rote Striemen auf seinem weißen Fleisch erschienen. Er zuckte unter jedem Schlag zusammen, stöhnte, geschüttelt zwischen Lust und Schmerz. Ihre Wangen färbten sich unter dem Make-up feuerrot. Manchmal hatte sie solche Fantasien. Manchmal wollte sie Männer schlagen und erniedrigen. In Gedanken sagte sie Worte, die noch nie wirklich über ihre Lippen gekommen waren. Nicht einmal ihrem Analytiker hatte sie sich anvertraut. Sie wusste, dass solche Vorstellungen immer dann kamen, wenn sie sich ohnmächtig fühlte. Den Ereignissen ausgeliefert.
Jetzt überspielte sie die Anwandlung mit emotionsloser Stimme und Professionalität. Trotzdem hatte sie ein leises Schuldgefühl van Ecken gegenüber, so als wäre ihre Fantasie für einen Moment Wirklichkeit geworden. Rein gefühlsmäßig hätte sie sich am liebsten bei ihm entschuldigt, doch ihr klarer Verstand hinderte sie daran.
Van Ecken ließ seinem Zorn freien Lauf. Er ballte die rechte Hand zur Faust, dass die Knöchel knirschten, und presste hervor: «Das darf doch einfach nicht wahr sein! So viel kann gar nicht schief gehen! Anderen hilft Kommissar Zufall, uns stellt Kommissar Ätsch-Pech-gehabt ständig ein Bein! Jetzt ist auch noch dieser Tom Götte wie vom Erdboden verschwunden. Nicht mal seine Freundin weiß, wo er sich aufhält. Allerdings glaubt
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