Karma-Attacke (German Edition)
verlangst. Er wird es als seinen ureigenen Willen empfinden. Wenn dir das gelingt, kannst du alles. Niemand auf dieser Welt kann sich dir widersetzen, wenn du dich zu deiner alten Inkarnation bekennst. Wehr dich nicht länger gegen mich. Wir sind nicht zwei verschiedene Wesen. Ich bin du.
Ackers’ Jetzt-Ich bäumte sich auf: «Du wirst mich umbringen!»
Xu lachte. Der Tod ist eine Illusion. Wir wechseln nur die Körper. Glaubst du wirklich, du bist in diesem vernarbten Leib gefangen? Findest du diese Vorstellung nicht selbst lächerlich? Gib dich endlich deinem eigentlichen Wesen hin, dann bist du frei!
Das alles geschah in Ackers’ Innerem. Sein Verstand trudelte, die Seele fuhr mit ihm Achterbahn. Keins der Worte drang nach außen, doch der freundliche Junge machte unwillkürlich einen Schritt zurück, nun gar nicht mehr hilfsbereit. Etwas in Ackers’ Blick jagte ihm furchtbare Angst ein. Er spürte, dass der Mann vor ihm nicht ihn ansah, sondern irgendwo anders hin, durch ihn hindurch, so als hätte sich mitten auf der Straße ein Tor zur Hölle aufgetan. Zutiefst erschrocken rannte der Junge davon.
Ackers taumelte weiter, ließ sich schließlich auf einem glänzenden Metallstuhl nieder. Ein Kellner bediente die anderen Gäste und schielte verstohlen zu ihm hinüber. Er wollte diesen unheimlichen Mann nicht bedienen, fürchtete sich aber davor, ihn zu verjagen. Täglich musste er ein Dutzend Mal Penner bitten, das Straßencafé zu verlassen. Besoffene nickten an den Tischen ein. Studenten saßen zwei Stunden bei einem Espresso. Freundlich und souverän schickte er all diese Leute weg, doch diesem Mann näherte er sich höchstens auf drei Meter. Dann wurde er von einem inneren Zittern gepackt wie von Schüttelfrost. Er beschloss, diesen Gast einfach zu übersehen. Irgendwann würde der Mann freiwillig gehen. Bestellen würde er garantiert nichts. Vermutlich wusste er nicht einmal, dass er in einem Café saß.
Ackers legte den Kopf in den Nacken, atmete durch die Nasenlöcher aus und durch den Mund ein, laut und rhythmisch. Es hatte etwas Hechelndes. Die Gedanken schossen durch Ackers hindurch und suchten Professor Ullrich. Dessen Gehirn war auf Empfang geschaltet. Xu versuchte, in ihn einzudringen. Langsam, schleichend, wie eine Melodie, die man einmal aufgeschnappt hat und nicht mehr loswird.
Vivien ist in höchster Gefahr. Du brauchst mich, Ullrich, um sie zu retten. Hol mich. Lass mich zu ihr. Du brauchst mich. Du brauchst Ackers. Gib deinen dummen Widerstand endlich auf. Ackers kann dir nützlich sein. Er kennt den Polizeiapparat. Er weiß, wie diese Leute denken, und darum auch, wie man sie austricksen kann. Ackers. Du brauchst Ackers. Ihr könnt Freunde werden. Im Grunde seid ihr längst Verbündete.
60
Professor Ullrich saß im Fernsehsessel und starrte auf den Bildschirm. Das Gerät war nicht eingeschaltet, doch Ullrich wirkte, als verfolge er einen spannenden Film. Gedankenverloren formte er aus rotem Knetgummi eine Art Lurch. Dann quetschte er das Gebilde wieder zu einer Kugel zusammen, rollte diese zwischen den Fingerspitzen, grub den Daumen hinein und begann einen Drachenkopf zu modellieren. Schließlich wurde aus der roten Knetmasse wieder ein aufgeplatzter Embryo.
Während seine Finger immer neue Figuren formten, nistete sich im Kopf des Professors ein neuer Gedanke ein: Ackers konnte hilfreich sein. Er wusste, was die Polizei plante. Er war mit ihren Tricks und Methoden vertraut, und er würde eine Falle vermutlich früh genug erkennen.
Sie suchen Vivien und mich, dachte Ullrich. Wenn wir als Gruppe reisen, wird es einfacher. Wir brauchen den Schutz anderer Personen.
Er schaute zu Sina Berger und dann zu ihrem Mann. In Sina wuchs der Wunsch nach einem Kind, Robert verstand sich gut mit Vivien. Die beiden schauten sich Bilder an. Vivien trank Milch dabei.
«Ich habe einen Sohn in Ihrem Alter. Aus erster Ehe.»
Vivien nickte. Sie verstand, dass er damit eine Verbindung schaffen wollte.
Ja, so könnte es gehen. Komm, Ackers, dachte der Professor, ruf mich noch mal an. Wir könnten einen Deal machen.
Inzwischen rechnete er nicht mehr mit Marga. Dieser Tom hätte ihn nicht gestört, aber irgendetwas musste schief gegangen sein. Vermutlich waren sie verhaftet worden. Konnte die Polizei tatsächlich so dumm sein?
Plötzlich erschien es ihm wie Ironie. Seine Videoaufnahmen von Vivien, die Protokolle der Rückführungen und die Akten, all dies hochbrisante Material fand jetzt sozusagen
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