Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Karma-Attacke (German Edition)

Karma-Attacke (German Edition)

Titel: Karma-Attacke (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
Vom Netzwerk:
einen Kreis, wie Josch ihn um den Ata-Käfig gezogen hat?»
    «Ja. Er hat es von ihnen gelernt. Nur sind sie hundertmal stärker als er.»
    Viviens coole Haltung war dahin. Mit ihren schnellen Schritten scheuchte sie die Enten zur Seite und trat ein paar Körner platt. Die alte Dame rief ihr etwas nach, doch sie hörte nicht hin.
    «Gibt es denn keinen Ausweg?», sagte sie laut vor sich hin. «Haben wir überhaupt keine Chance?»
    Schon war der Professor wieder neben ihr. Er nahm ihre Hand und ging neben ihr über die Brücke. «Wir haben eine Chance, Vivien. Wir müssen ihn erkennen, bevor er uns hat. Dann können wir ihn töten.»
    «Und dann?»
    «Und dann beginnt vielleicht endlich ein normales Leben. Für dich und für mich.»
    Ein Bus hielt neben Vivien und sagte ihr, dass sie ganz in dieser Welt war. Auf Thara gab es keine Busse. Sie genoss es, ein Auto hupen zu hören. Der Straßenverkehr gab ihr Sicherheit.
    Professor Ullrich führte sie jetzt am Arm. Sein Griff war fester, als es den Anschein hatte. Er fürchtete, sie könnte in ihrem Zustand einfach vor ein Auto laufen. Sie war sich der Gefahr durch die Fahrzeuge nicht bewusst, sie war zu sehr beschäftigt mit dem, was sich in ihrem Inneren abspielte.
    Vor dem Hotel Rebstock blieben sie stehen. Der Professor ordnete seine Kleider. Innerlich ging er jetzt in eine andere Existenz. Er wurde zu Klaus Schumann. Noch einmal sagte er Vivien, wie sie jetzt hieß. «Du bist jetzt ein Junge, Vivien.»
    «Ja, ja, ich weiß.» Sie stand mit dem Rücken zum Hotel und schaute zum See. Der Berg faszinierte sie. Die Spitze des Pilatus war von Wolken verdeckt. Der Berg schien in den Himmel zu ragen.
    Professor Ullrich ahnte, was in ihr vorging.
    Sie schluckte. «Wir sind in die Schneeberge geflüchtet», flüsterte sie. «Ist es nicht so? Genau wie damals. Alles wiederholt sich. Toi wird hierher kommen, Josch töten und mich holen.»
    «Das sind nicht die Schneeberge, Vivien!» Er rüttelte sie. So konnten sie unmöglich ins Hotel gehen.
    An der Rezeption herrschte Hochbetrieb. Eine Gruppe Jugendbuchautoren war aus Deutschland angereist. Die Inhaberin des Hotels, Frau Moser, begrüßte jeden Einzelnen mit Vornamen, Jürgen, Werner, Christa, Michael, und lud sie zum Abendessen ein. Auch der Veranstalter war da. Alle nannten ihn Peter. Er hatte für die Autoren Reisen zu Schulen im ganzen Kanton organisiert. Es wirkte ein bisschen wie ein Familientreffen. Von dieser Gruppe ging eine Wärme aus, die Vivien anzog. Sie spürte die gelöste Freundlichkeit, hörte den Veranstalter ganz ruhig sagen: «Natürlich werden Probleme auftauchen. Das ist doch immer so. Aber die werden wir lösen. Mit Bussen, Bahnen und, wenn’s gar nicht anders geht, mit dem Taxi.»
    Vivien löste sich vom Professor. Am liebsten wäre sie zu den anderen hinübergegangen und hätte ihnen alles erzählt.
    Der Professor trat ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. Er fürchtete, das alles könne zu viel für Vivien sein, und wollte so schnell wie möglich mit ihr in ein Zimmer. Aber die Autoren hatten alle möglichen Sonderwünsche, die Frau Moser mit einem Lächeln erfüllte. Erst dann warf sie die roten Haare zurück und schaute ihn an, begrüßte ihn mit der gleichen Verbindlichkeit wie die Autoren. Vivien wusste, dass er sich hier nie als Professor ausgegeben hatte, sondern immer als Klaus Schumann.
    Er öffnete sein Portemonnaie, als wollte er den Ausweis zeigen, doch Frau Moser winkte lachend ab und reichte ihm die Meldekarte. Viele Jahre zuvor hatte er sich hier zum ersten Mal mit dem Reisepass von Klaus Schumann vorgestellt. Schumann war wenige Tage vorher bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Inzwischen war der Ausweis längst abgelaufen, aber das war eben der Vorteil von Stammgästen. Sie mussten sich nicht mehr ausweisen.
    «Mein Sohn Niklas», sagte der Professor. «Sie kennen sich noch nicht.»
    Brav gab Vivien die Hand und nickte. Ihr fiel auf, dass überall Kürbisse herumlagen.
    «Was schaust du so?», fragte Frau Moser. «Irritiert dich etwas? Hast du eine Frage?»
    Vivien schüttelte zunächst den Kopf, wollte dann aber doch fragen. «Die vielen Kürbisse …» Sie verstummte, erschrocken über ihre viel zu hohe Stimme. So redete kein Junge.
    «Gefallen sie dir?», fragte Frau Moser.
    Vivien nickte.
    «Wir machen eine köstliche Suppe daraus. Dein Vater hat immer zuerst eine Kürbiscremesuppe gegessen und dann ein Steak. Englisch, nicht wahr?»
    Der Professor nickte. «Ja.

Weitere Kostenlose Bücher