Katakomben (van den Berg)
Gelassenheit.
„Nein, sicher nicht“, sagte sie nüchtern. Die Psychologin verließ das Haus,
während Deflandre eilig durch die Türe kam. Madame Bouvier stand unbeeindruckt hinter
der Theke, sie trug ihren unvermeidlichen dreckigen Kittel und führte eine
lebhafte Diskussion mit einem Kunden, der ihr sehr vertraut zu sein schien. Als
der sich verabschiedete, betraten van den Berg und Deflandre das Geschäft.
„Haben sie einen Moment Zeit?“ „Was wollt ihr denn noch – eine Sauerei von
euch, bei uns alles durchzuschnüffeln!“, raunte die Alte unbeherrscht. „Von mir
hört ihr nichts mehr!“ Van den Berg wunderte sich, dass die Frau wieder ganz
normal arbeitete und ihr der Tod der Tochter kaum anzusehen war. „Wir müssen
sie bitten, noch einmal nachzudenken. Sie haben uns erzählt, dass Catherine oft
nachts unterwegs war. Hat sie wirklich niemals Namen von Leuten genannt, mit
denen sie sich getroffen hat oder erzählt, wohin sie gegangen ist?“ „Das habe
ich euch doch schon gesagt, sie hat darüber nicht gesprochen und ich habe sie
auch nicht danach gefragt“, rief die Frau gereizt. „Aber sie muss doch Freunde
gehabt haben oder irgendwelche Kontakte.“ „Freunde?“ Die Frau lachte amüsiert.
„Die hatte sie nicht - Catherine war eine Herumtreiberin. Ab und zu ist sie mal
ins Kino gegangen, oder in die Stadt ins Perroquet“. Der Kommissar starrte die
Alte verständnislos an. „Das hätten sie uns ruhig schon eher verraten können.“
Deflandre winkte van den Berg zu sich. „Das ist der Laden, in dem auch Bouvier
rumhängt – zum Kartenspielen. Das haben wir in seinen Aufzeichnungen gefunden.“
Der Kommissar lächelte die Metzgerin herausfordernd an. „Wir wissen, dass ihr
Mann auch im Perroquet verkehrt – Zufall?“ Die Frau zuckte gleichgültig mit den
Schultern. „Wir können die Befragung auch in meinem Büro weiterführen“, drohte
van den Berg. „Ich weiß es doch nicht“, brüllte die Frau. „Die Leute, mit denen
er spielt, kennen sie nicht zufällig?“ „Nein, aber sie treffen sich immer um
die gleiche Zeit, samstagabends um sechs.“ „Also morgen wieder …“ Sie hatten
endlich einen Anhaltspunkt, einen kleinen Hoffnungsschimmer, der vielleicht
etwas Licht in das undurchsichtige Leben von Pascal Bouvier bringen konnte.
„Sie sagen ihrem Mann nicht, dass wir nach dem Perroquet gefragt haben, ist das
klar?“ Die dicke Frau nickte. „Wo ist ihr Mann jetzt?“, fragte der Kommissar.
„Ich weiß es nicht!“ „Wir kommen wieder“, sagte van den Berg scharf. „Sie wird ihm
alles erzählen“, meinte Deflandre, als sie zum Auto gingen. „Da bin ich mir
nicht sicher“, erwiderte van den Berg lächelnd.
Der
Wagen war unter falschem Namen gemietet. Hugo hatte alles eingefädelt, so wie immer.
Jorge merkte, dass er müde wurde. Er saß fast seit zehn Stunden hinter dem
Steuer, den größten Teil der Strecke hatte er jetzt hinter sich. Den Weg über
die Grenze nahm er über eine Landstraße, statt über die Autobahn. Hugo hatte
ihm gesagt, dass dort weniger Kontrollen waren. Bald war er am Ziel.
Hugo
schaute nervös auf die teure Breitling. Er hatte kein Gepäck aufgeben, nur eine
schwarze Tasche führte er mit sich, die er mit ins Flugzeug nahm. Der Flieger
hatte Verspätung.
Das
Perroquet war ein unscheinbarer Laden, einen Steinwurf vom Justizpalast weg, weder
verrucht noch sonderlich schick. Die Polizisten wunderten sich, dass sich der
Metzger hier zum Kartenspiel traf, das war eigentlich nicht die Gegend dafür.
Der Wirt reagierte eine Spur zu freundlich auf ihren Besuch. Den Vorwurf
illegalen Glücksspiels lächelte er charmant weg. Erst als van den Berg drohte,
die Kneipe bis in die letzte Ecke zu durchsuchen und für eine Weile zu
schließen, führte der Wirt die beiden eine steile Treppe herunter in ein
Hinterzimmer. Der Kommissar versprach, ihn in Ruhe zu lassen, wenn er sich
kooperativ zeigte. Etwa ein Dutzend Männer waren an den Tischen versammelt, sie
spielten Poker und Skat. Der Wirt kannte Bouvier seit einigen Jahren. „Er
pokert hier, meist mit John und Jackie, die sitzen da vorne.“ Der Wirt wollte
nicht mehr von Bouvier erzählen, seine Spielpartner waren gesprächiger. „Der
ist ein komischer Kauz. Der schwitzt immer wie ein Schwein“, lachte Freddie DeMulder.
„So wie der sich im Puff verausgabt“. Er hat also kein Geheimnis daraus
gemacht, dachte van den Berg. Die Männer wurden ernst. „Er tickt manchmal
richtig aus …“ Van den Berg
Weitere Kostenlose Bücher