Katakomben (van den Berg)
letzten
Besuch. Van den Bergs Blick fiel auf die Plastikkanne. Sie verzichteten auf
Getränke. „Herr Bouvier, wir wissen, dass sie sich an illegalem Glücksspiel
beteiligen.“ Der Metzger sah die beiden ungläubig an. „Es hat keinen Sinn zu
leugnen. Wir haben mit ihren Pokerkumpanen im Perroquet gesprochen.“ „Ich
dachte, sie ermitteln den Mord an meiner Tochter.“ „Das tun wir auch, aber wir
müssen allen Hinweisen nachgehen“, sagte der Kommissar, während er dem
Schwergewicht hypnotisierend in die Augen schaute. „Mir ist es im Grunde egal,
ob und wie sie ihre Kohle verzocken. Aber ich will, dass sie mir von den
Abenden im Perroquet erzählen.“ Bouvier begann, unruhig auf seinem Stuhl hin
und herzurutschen. „Es stimmt, ich spiele regelmäßig.“ „Ich brauche sämtliche
Namen ihrer Spielpartner - die können sie mir später in aller Ruhe
aufschreiben.“ Van den Berg wurde ernster. „Was macht ihre Tochter in dem
Laden?“ Bouvier zögerte mit seiner Antwort. „Sie hat da schon mal was
getrunken, ist aber nie lange geblieben.“ Nicole schaute zum Kommissar. Er sah
ihr an, dass sie Bouvier misstraute. Van den Berg legte das Foto der toten
Dorothee Lerisse auf den Tisch. Der Metzger schaute auf das Bild und kratzte
sich am Hinterkopf. „Kennen sie die?“ „Nein, wer soll das sein?“ „Sie ist vom
selben Mann umgebracht worden wie ihre Tochter.“ Bouviers Mundwinkel zuckten
nervös. „Haben sie Kontakt zu Prostituierten?“, fragte Nicole, die sich ins
Gespräch einschaltete. Bouvier war von der Offenheit der Frage ganz
offensichtlich überrascht. Er schüttelte wenig überzeugend den Kopf. „Hören sie
Bouvier, wir sind nicht von der Sitte – es geht um zweifachen Mord. Wir haben
ihre Kladde gefunden und die Fotos der Nutten. Versuchen sie gar nicht erst zu
bestreiten, dass die Sachen von ihnen stammen!“ Bouvier wurde rot. „Haben sie
die Aufnahmen gemacht?“ „Ja“, gab der Metzger zu. „Wie oft gehen sie ins
Bordell?“ „Mehrmals die Woche“, antwortete der Metzger mit belegter Stimme.
„Hinter dem Gare du Nord?“ „Ja.“ „Wohin noch?“ „Nur dahin.“ Warum haben sie die
Frauen fotografiert?“ „Als Erinnerung.“ Weiß ihre Frau davon?“ „Nein“. „Es tut
mir leid“, holte van den Berg aus, „aber ich kann ihnen diese Frage nicht
ersparen: Ist ihre Tochter auf den Strich gegangen?“ Jetzt verlor Bouvier die
Beherrschung. „Was bildest du dir ein, du Scheiß-Bulle?“ Der Metzger sprang auf
und hastete mit geballter Faust auf van den Berg zu. Nicole reagierte prompt,
stellte dem Angreifer ein Bein und schubste ihn, sodass er unsanft auf dem
Bauch landete. „Antworten sie!“, rief van den Berg, der den Metzger nun fest
umklammert hielt. „Nein, sie war keine Nutte, verdammt!“ Bouviers Frau kam ins
Wohnzimmer, sie war von dem Aufprall aufgeschreckt worden. „Im Moment haben wir
keine weiteren Fragen, aber ich glaube, wir sehen uns sehr bald wieder“, sagte
der Kommissar im Herausgehen. „Er lügt“, sagte Nicole zu van den Berg, als sie
in den Wagen stiegen. „Ich bin mal gespannt, ob die Nutten Bouviers Angaben
bestätigen“, antwortete der Kommissar genervt.
Van
den Berg machte auch die Stippvisite in die Bahnhofsgegend mit Nicole allein.
Deflandre musste Stallwache halten und zudem eine Grafik mit den spärlichen
Spuren und Verdachtsmomenten erstellen, die van den Berg später ergänzen
wollte. In erster Linie aber wollte der Kommissar lieber mit Nicole an den Gare
du Nord fahren. Sie würde ihm mehr helfen können als Deflandre. Und auf die
ständigen Neckereien zwischen Nicole und seinem Partner hatte der Kommissar
gerade überhaupt keine Lust.
Sie
waren gerade einmal zwei Minuten unterwegs, als van den Bergs Telefon klingelte.
„Kommt sofort zurück. Es gibt wieder ein totes Mädchen!“ Er hatte Deflandre in
der Leitung, dessen Stimme sich fast überschlug. Van den Berg haute mit der
geballten Faust auf das Lenkrad, aber er fing sich schneller als bei der
letzten Todesnachricht. „Wo ist es? Wir fahren sofort dahin!“ „Beeilt euch,
sonst ist die Pressemeute vor euch da.“
Van
den Berg und Deflandre rasten zeitgleich zur Basilique Nationale du Sacré
Coeur. Die 141 Meter lange und 107 Meter breite Basilika zählte zu den größten
Kirchen der Welt. Van den Berg fand den Art Deco-Bau schon unheimlich, als er
ihn einmal zusammen mit Marie besucht hatte. Das rundlich geformte Bauwerk
wirkte auf ihn bedrohlich und eigenartig fremd.
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