Katakomben (van den Berg)
Paris.“ „In Paris?“ Van den Berg schaute
Nicole skeptisch an. „Vier junge Mädchen sind umgebracht und in einem Nachthemd
abgelegt worden.“ Wie alt waren die Mädchen?“ „Unterschiedlich, zwischen 14 und
20.“ „Wo sind sie gefunden worden?“ „Zwei von ihnen im Bois de Bologne, eine im
Jardin Luxembourg, die Vierte in einem Park in La Defense.“ „Wie sind sie
gestorben?“ „Sie wurden erwürgt.“ „Brandmale?“ „Nein!“ Van den Berg überlegte
einen Moment, dann schüttelte er den Kopf. „Das passt doch nicht. Wie kommst du
darauf, dass die Fälle zusammenhängen?“ „Die Nachthemden und der Tod durch
Ersticken – das sind immerhin zwei deutliche Übereinstimmungen“, entgegnete
Nicole. „Unsere Mädchen sind alle 20, sie haben alle Brandmale und sie sind
alle vergiftet worden. Warum sollte der Täter seine Handschrift plötzlich
ändern?“ „Wenn er etwas erlebt hat, eine Enttäuschung oder irgendetwas, was ihn
berührt hat, könnte das sein Vorgehen verändern. Ein Psychopath kann durchaus
neue Visionen entwickeln, die er verwirklichen will. Bei vielen Serientätern
sind Verhaltensmuster über einen längeren Zeitraum gleich bleibend, aber das
ist kein Gesetz.“ Der Kommissar ließ sich nicht überzeugen. „Dass er auf einmal
Brandmale schick findet und die Mädchen plötzlich lieber vergiftet als erwürgt,
erscheint mir ziemlich unwahrscheinlich. Aber vielleicht hast du recht und es
gibt Gründe dafür. Nur warum sind die Mädchen alle 20, die er tötet? In Paris
waren es Teenager, richtig?“ Nicole nickte. „Und die Fundorte – erst Parks,
dann Kirchen? Nein, ich glaube nicht, dass das passt.“ Nicole nickte
zustimmend. Sie hielt einen Zusammenhang zwischen den Fällen in Paris und
Brüssel selbst für abwegig. Um van den Bergs Urteil unvoreingenommen zu hören,
hatte sie ihre eigene Einschätzung zunächst zurückgehalten. „De Breuyn soll uns
mit Einzelheiten füttern, dann schauen wir weiter“, meinte der Kommissar. Sie
beschlossen, die Pariser Fälle erst einmal links liegen zu lassen.
11
Die
Sonderkommission war rund um die Uhr mit Recherchen beschäftigt. Die Polizisten
klopften Gewaltverbrecher ab, die den Vornahmen Paul trugen, sowie die
Lebensumstände der drei Opfer, und sie erstellten Listen mit Mädchen, die
vermisst wurden.
Der
Jäger war erregt, als er in die Katakomben hinab fuhr. Er dachte daran, dass in
dieser Woche drei Mädchen ihren 20. Geburtstag feierten. Das Drehbuch hätte er
nicht besser schreiben können. Ekatherina war die Erste, Nadja und Olga folgten
zwei Tage später. Der Jäger betrachtete die zusammenliegenden Geburtstage als
einen Wink des Schicksals. Ihm kam die Idee, seinen Plan in einem
entscheidenden Punkt zu ändern. Er beschloss, die Geburtstage zusammenzulegen
und ein unvergessliches Fest zu organisieren. Diesmal würde er drei Mädchen
gemeinsam sterben lassen.
Der
Königssaal war in ein dunkles Rot getaucht. Zehntausend Rosen hatte der Jäger
geordert, deren Köpfe er über den Boden des gewaltigen Raumes verstreuen ließ.
Die Geburtstagskinder saßen nebeneinander in der Mitte, der helle Lichtkegel
war auf die drei Mädchen gerichtet, deren Teenager-Zeit in dieser Woche ablief.
Sie waren, passend zu den Rosen, mit hauchdünnen roten Nachthemden bekleidet.
Die anderen bildeten einen Kreis um die Jubilarinnen, sie waren aber nur
schemenhaft zu sehen, weil die Spots nur die Mitte des Raumes erfassten. Es war
exakt 20 Uhr, als die beiden Teufel den Königssaal betraten. Der Jäger war
sichtlich beeindruckt. „Fabelhaft“, rief er. Hugo fiel auf, dass sein Boss feuchte
Augen hatte.
Die
drei Mädchen hatten eine deutlich höhere Dosis des Ecstasy-Mixes bekommen als
üblich. Ihre tiefe Abscheu gegenüber dem Jäger und Hugo verschwand unter einem
süßen Zuckerguss, wenn sie auf Droge waren. Sie lächelten, als sie mit ihm in
das überdimensionierte Himmelbett stiegen.
Hugo
schaute Dimitri prüfend in die Augen. „Bist du bereit?“, fragte er den Killer
feierlich. Der neue Plan des Jägers faszinierte ihn, es kam darauf an, dass
Dimitri keinen Fehler machte. Hugo hatte alles generalstabsmäßig vorbereitet.
Auf einem Blatt Papier waren drei Kreuze eingezeichnet, die er mit Uhrzeiten
ergänzte: 1:30, 1:45, 2:00. Die Ziele verknüpfte er mit Linien, die für die
jeweilige Route standen. Dimitri musste sich die Strecken genau einprägen, zur
Sicherheit waren
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