Katharina von Medici (German Edition)
verkündigt worden war. Seine Vollstreckung war der Krankheit des Königs wegen verschoben worden. Es befanden sich in dem Saale, auf den Treppen und im Hofe der Ballei nur Leute, die durchaus zum Dienste gehörten. Die Menge der Höflinge belagerte das Haus des Königs von Navarra, dem nach den Reichsgesetzen die Regentschaft zustand. Der überdies durch die Kühnheit der Guisen erschreckte französische Adel empfand das Bedürfnis, sich um das Haupt des jüngeren Hauses zu scharen, da er in der Königin-Mutter eine Sklavin der Guisen sah und deren Italienerinnenpolitik auch nicht verstand. Seiner geheimen Abmachung mit Katharina getreu mußte Anton von Bourbon zu ihren Gunsten in dem Momente auf die Regentschaft verzichten, wo die Stände sich zu dieser Frage äußern würden. Die tiefe Einsamkeit hatte sehr auf den Großmeister gewirkt; bei der Rückkehr von einer vorsichtshalber durch die Stadt gemachten Runde fand er beim Könige nämlich nur die mit seinem Glücke verbundenen Freunde vor. Das Zimmer, in welchem man Franz des Zweiten Bett aufgestellt hatte, stieß an den großen Balleisaal. Er war damals mit Eichenholz getäfelt. Die Decke, aus kleinen länglichen, geschickt aneinandergepaßten und bemalten Brettern zusammengesetzt, zeigte blaue Arabesken auf Goldgrund, von denen ein Teil, der vor bald fünfzig Jahren heruntergenommen ward, von einem Altertumsliebhaber gesammelt worden ist. Dies mit Gobelins verkleidete Zimmer, auf dessen Fußboden sich Teppiche breiteten, war so düster, daß ihm die angezündeten Fackeln auch nur wenig Helligkeit zu spenden vermochten. Das breite Bett mit vier Säulen und seidenen Vorhängen glich einer Gruft. Auf einer Seite dieses Lagers, am Kopfende, saßen die Königin Maria und der Kardinal von Lothringen; Katharina saß in einem Sessel. Der berühmte Johann Chapelain, der diensttuende Arzt, welcher später Karls des Neunten Leibarzt war, stand aufrecht am Kamin. Tiefstes Schweigen herrschte. Der abgemagerte, bleiche König lag wie verloren in seinen Leintüchern und ließ auf dem Kopfpfühle kaum sein schmales verzerrtes Antlitz sehen. Die auf einem Schemel sitzende Herzogin von Guise stand der jungen Königin Maria bei, und neben Katharina, von einer Fensternische aus, bespähte Frau von Fiesco der Königin-Mutter Gebärden und Blicke, denn sie wußte ja, wie gefährlich deren Lage war.
Im Saale nahm trotz der vorgerückten Abendstunde Herr von Cypierre, des Herzogs von Orleans Hofmeister, der ja auch Stadtkommandant war, eine Kaminecke mit den beiden Gondis ein. Der Kardinal von Tournon, welcher sich bei dieser Krise für der Königin-Mutter Interessen einsetzte, da er sich vom Kardinal von Lothringen wie ein Untergebener behandelt fühlte, dem er doch vom kirchlichen Standpunkte aus durchaus gleichgestellt war, plauderte leise mit den Gondis. Die Marschalle von Vieilleville und Saint-André und der Großsiegelverwahrer, der den Ständen vorsaß, unterhielten sich mit leiser Stimme über die Gefahren, denen die Guisen ausgesetzt waren.
Der Reichsverweser durchquerte den Saal, den er mit einem schnellen Blicke überflog und begrüßte den Herzog von Orleans, welchen er dort erblickte.
»Gnädiger Herr,« sagte er, »jetzt könnt Ihr die Menschen kennenlernen: der katholische Adel des Königreichs weilt bei einem ketzerischen Fürsten, da er annimmt, daß die Stände den Erben des Verräters, der Euren erlauchten Großvater solange im Kerker zurückhalten ließ, die Regentschaft zusprechen werden!«
Diese Worte sollten einen tiefen Eindruck in des Prinzen Herzen hinterlassen. – Dann ging er in das Gemach, wo der junge König lag. Der war mehr in dumpfe Schlaffheit versunken, als daß er schlief. Gewöhnlich wußte der Herzog von Guise den finstern Anblick seines benarbten Antlitzes unter einer sehr liebenswürdigen Miene zu verbergen; in diesem Momente aber, als er das Werkzeug seiner Macht zerbrechen sah, besaß er nicht die Kraft zu lächeln. Der Kardinal, welcher ebensoviel Zivilistenmut als sein Bruder Soldatenmut besaß, tat zwei Schritte und kam dem Reichsverweser entgegen.
»Robertet glaubt, der kleine Pinard sei von der Königin-Mutter gekauft worden,« flüsterte er ihm ins Ohr, indem er ihn in den Saal führte, »man hat sich seiner bedient, um die Ständemitglieder zu bearbeiten.«
»Ach, was macht's, daß wir von einem Schreiber verraten werden, wenn uns alles verrät!« schrie der Reichsverweser. »Die Stadt ist für die Reformation, und wir stehen
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