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Katzenhöhle

Katzenhöhle

Titel: Katzenhöhle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hildegunde Artmeier
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der Fassung bringen. Da musste schon etwas Schlimmeres vorgefallen sein, etwas wirklich Essentielles. Helmut tippte auf David. Bestimmt gab es wieder ein Zerwürfnis zwischen ihm und Lilian. Andrerseits – hatte es das nicht schon oft gegeben?
     
    Es war schon halb vier, und Lilian wusste immer noch nicht, wo der alte Mann sich verkrochen hatte. Die junge Frau im dritten Stock, linker Eingang hatte weder Namen noch Adresse der Verwandten gekannt, die für seine mögliche Verschleppung in Frage kam. Dafür wusste aber eine nicht mehr ganz so junge Frau im vierten Stock, rechter Eingang, dass der Vorname eben jener Verwandten Maria war und sie in Grafenau im Bayerischen Wald wohnte. Dass es dort eine Unmenge von Marias geben musste, war Lilian schon vor dem Blick in den Computer klar gewesen. Durch die ersten zwanzig Nummern quälte sie sich noch selbst, aber den Rest würde sie Forsters Kollegen überlassen.
    Bei einer Wohnung nach der anderen hatte sie geklingelt und viele unnötige Details über tropfende Wasserhähne, horrend gestiegene Nebenkos¬ten, viel zu selten geräumte Gehwege und unmögliche Nachbarn erfahren. Leider hatte keiner etwas über Lena Zolnays Besuch sagen können. Offenbar war niemandem aufgefallen, dass sie Besuch gehabt hatte. Aber bei Zwillingen war das wirklich nicht erstaunlich, Frau Kommissarin! Und mit Frau Zolnay selbst konnte man nicht mehr als ein flüchtiges »Guten Morgen« oder ein gut gemeintes »Schöner Tag heute« austauschen – die blieb nie stehen auf einen kleinen Ratsch. Hielt sich wohl für was Besseres, wollte mit keinem was zu tun haben, die war irgendwie komisch. Obwohl sie sonst einen recht anständigen Eindruck machte, sie ging nicht viel weg, außer in die Arbeit natürlich. Und zum Sporteln oder Tanzen oder wofür sie sonst diese Sporttasche brauchte, die sie immer bei sich hatte. Und oft zum Einkaufen, das musste man sagen. Die schleppte Berge von Tüten aus allen möglichen Boutiquen und Kaufhäusern an. Hatte die nicht mindestens drei Wintermäntel und vier Steppjacken in hundert Farben? Die musste Geld haben ohne Ende oder dauernd pleite sein. Ansonsten ging es, wie gesagt, wirklich ruhig bei ihr zu. Keine lauten Feste bis spät in die Nacht oder besoffene Gäste, die im Treppenhaus grölten. Neulich war zwar jemand draußen vor ihrer Wohnung herumgestrichen, der hatte sich wohl nicht so recht entscheiden können, ob er klingeln sollte oder nicht. Erkannt hatte die nicht mehr ganz so junge Frau im vierten Stock, rechter Eingang diesen Jemand nicht, konnte nicht mal sagen, ob es ein Mann oder eine Frau gewesen war. Aber bei dieser ekelhaften Kälte war das nicht erstaunlich, wenn man sich so einmümmelte, vor allem mitten in der Nacht. Ja, es musste schon nach zwölf gewesen sein, vor vier oder fünf Tagen etwa. Was sie selbst da gemacht hatte? Sie war von einer Geburtstagsfeier heimgekommen, zugegebenermaßen leicht beschwipst, aber da war doch nichts dabei, oder?
    Lilian gab Forsters Kollegen ihre Anweisungen und verließ das Büro. Auf dem Weg zum Auto tippte sie Davids Nummer ein – wieder nichts. Das war schätzungsweise ihr fünfundzwanzigster Anruf. Wo steckte er bloß? Warum ließ er nichts von sich hören? Ein kurzes Telefonat kostete nicht die Welt, auch bei keiner noch so dringenden Angelegenheit. Hatte die liebe Petra ihn zu sich beordert, weil ihr wieder frühzeitige Wehen oder ihr im fernen Kanada weilender Ehemann das Leben schwer machte? So wie Lilian David kannte, wäre er sofort losgesaust, um seiner alten Freundin verständnisvoll eine Schulter zu leihen. Zum Ausweinen, Anlehnen oder zu was auch immer. War das seine Art, Lilian nach einer heißen Nacht gleich wieder Lebewohl zu sagen? Sie schwankte zwischen Wut, verletzter Eitelkeit und sinnloser Sorge. Die wildesten Bilder verfolgten sie. Ob er irgendwo im Graben lag, niemand da, der ihn aus dem umgekippten Auto rettete? Wie absurd. Oder war er zu Hause von der Leiter gefallen, als er ein Bild hatte aufhängen wollen? Sogar sie als Polizistin wusste, dass die meisten Unfälle im eigenen Heim passierten.
    Es half nichts. Lilian musste sich selbst überzeugen, sonst drehte sie noch völlig durch. Also machte sie einen Umweg über Riegling. Vor Davids Haus gähnende Leere, weder sein ausgebeulter Kombigeländewagen noch eines der Kinderfahrräder. Auch sonst alles ruhig, keine Rollos waren heruntergelassen. Sie kletterte über den Gartenzaun und spähte durch die Fenster. Klopfte an die

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