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Kein Tod wie der andere

Kein Tod wie der andere

Titel: Kein Tod wie der andere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Ness
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Geburtstagsfeier von Mattis, die wohl gerade im Gange war. Es drängte sich ihm das unbehagliche Gefühl auf, dass sie schneller sein mussten. Er nahm sich den nächsten Ordner vor.

15
    Bridel; Pfingstsonntag, 12.   Juni
    In dem Luxemburger Vorstädtchen saß Fernand Thill zufrieden auf der großzügigen Terrasse vor seiner Villa. Er liebte das von hohen Bäumen umgebene Areal. Es hatte seinerzeit nur wenig Überredungskunst gekostet, sich diese Oase in den Wald hineinbauen zu können. Vieles war im Ländle möglich, vor allem, wenn es ums Planen und Bauen ging. Da war nicht der Weg das Ziel, wie bei den deutschen Nachbarn, die sich ewig aufhielten, um alles zigmal zu prüfen und zu kontrollieren. Und dennoch würde er auch in Bitburg zum Ziel kommen. Seit Anfang des letzten Jahres besaß er fast die Hälfte der Gesellschafteranteile am Flughafen. Nichts ging mehr ohne seine Zustimmung. Noch musste er die gewonnene Macht gar nicht einsetzen. Noch hatte er potente Befürworter vor Ort.
    Seine Geldgeber drängten nun auf eine rasche Abwicklung. Sie würden dafür sorgen, dass ihr Geld auch in Bitburg ankäme – über den bewährten Umweg Luxemburg natürlich. Bis Ende des Jahres würde die geforderte Kapitaleinlage da sein, und er könnte die restlichen Anteile von Kreis und Stadt übernehmen. Er fühlte sich auf Wolke sieben schwebend und plante schon den nächsten Deal. Die ersten Millionen sollten wirklich nur der Anfang sein. Es würde sein ganz großes Ding werden, von dem er immer geträumt hatte, von dem er immer wusste, dass er es schaffen würde.
    Die Sonne glitzerte in dem ruhigen Wasser seines Pools. Vom Waldrand her zwitscherten irgendwelche Singvögel, trotz der andauernden Hitze. Eigentlich machte er sich nichts daraus. Aber seine Gäste waren stets ganz entzückt über diese hörbare Idylle. Irgendwann hatte er von einer  CD ein paar leicht zu identifizierende Vogelstimmen gelernt und sich einen Spaß daraus gemacht, sein Wissen den Gästen vorzuführen: »Ah, die Goldammer lädt uns wieder zu einem Rendezvous ein. Hört ihr das ›Wie, wie, wie hab ich dich liiiieb‹?« Oder: »Der Zilpzalp ist wieder zurückgekehrt und wird uns den ganzen Sommer mit seinem ewigen ›zilp, zalp‹ langweilen.« Die meisten hatten noch nie von einem Vogel wie dem weit verbreiteten Zilpzalp gehört und waren tief beeindruckt von Thills vortrefflicher Allgemeinbildung.
    Ähnlich machte er es in anderen Bereichen. Drei, vier Gedichte gehörten zu seinem Repertoire, ein paar Geheimtipps in der Jazzszene, Forscher und Entdecker kamen immer gut an, wie auch die gängigen Wissenschaftler. Punkten konnte er auch mit Erfindungen, die berühmten Persönlichkeiten zuzusprechen waren, denen man das nicht zugetraut hätte. Bei Opern und klassischer Musik beschränkte er sich auf Grundkenntnisse zum Mitreden, weil die meisten seiner Bekannten und Geschäftsleute da durchaus kompetent waren und er sich nicht wirklich profilieren konnte. Eigentlich hatte er es so immer recht leicht gehabt mit seinen Geschäftspartnern.
    Bei dem Chinesen, das hatte er von Anfang an gespürt, gelang ihm das nicht. Er hatte es nur kurz versucht, dann aber sofort davon gelassen, weil er merkte, wie kontraproduktiv es war. Seitdem übte er sich in großer Zurückhaltung und Bescheidenheit. Es schien, er landete so besser, auch wenn ihm der Mann alles andere als durchschaubar blieb.
    Gestern hatte er mit ihm noch einmal alles durchgearbeitet. Er hatte ihm bereits im Vorfeld die geeigneten Banken genannt, aber offensichtlich waren die dem Chinesen schon bekannt gewesen. Es war also mehr eine Prüfung gewesen. Er hatte sie bestanden und seine Kompetenz auf diesem Sektor unter Beweis gestellt. Das traf jetzt auch auf die neuen gesetzlichen Regelungen zu.
    Mit Schilzenbach war ebenfalls alles klar. Er mochte ihn zwar nicht, wie er Politiker generell nicht ausstehen konnte. Aber Schilzenbach war leicht zu nehmen gewesen und erwies sich als konstante Größe im Geschäftsverlauf. Und selbst als der Landtagsabgeordnete persönlich in unruhige Gewässer geriet, war er im Bitburger Projekt nicht ausgeschert. Was sollte also noch schiefgehen? Er nahm einen Schluck aus seinem Glas, lehnte sich zufrieden zurück und schloss die Augen.

16
    Avelsbach; Pfingstsonntag, 12.   Juni
    Marie saß auf einer Decke unter dem großen Kirschbaum und lehnte mit dem Rücken an dem dicken, immer noch glatten Stamm. Die Meisen in dem Nistkasten über ihr hatten vor zwei Wochen ihr

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