Ketten der Liebe
zu stellen.«
»Ausgezeichnet. Und jetzt möchte ich, dass Sie die Bediensteten im Auge behalten. Fast alle sind seit Jahren hier, und wenn mein Onkel tatsächlich korrupt ist, liegt der Schluss nahe, dass er die Loyalität eines Teils der Dienerschaft für sich gewonnen hat, auf welchem Weg auch immer. Vermutlich durch Bestechung.«
»Oder Erpressung«, gab Biggers zu bedenken.
Diese Möglichkeit war Jermyn noch gar nicht in den Sinn gekommen.
»Ich werde die Bediensteten ganz unauffällig befragen und ermitteln, wer treu zu Euch steht, Mylord.« Mit großem Feingefühl fragte Biggers: »Kann man demnach vor dem Hintergrund der zurückliegenden Vorfälle getrost sagen, dass wir Eurem Herrn Onkel nicht mehr vertrauen?«
»Ich denke, so kann man es ausdrücken, Biggers.«
»Und Ihr haltet es für keinen Zufall, dass Euch so viel Ungemach widerfahren ist?«
»Ganz recht.« Jermyn rieb sich den Oberschenkel, wo der Knochen gebrochen war.
»Dann wäre ich beruhigt, Mylord, wenn Ihr von nun an dies hier bei Euch tragen würdet.« Biggers schob den Ärmel seines Hemds nach oben und lenkte Jermyns Aufmerksamkeit auf den dünnen Lederriemen, der an seinem Unterarm befestigt war. Aus der Scheide zog er einen kleinen Dolch mit einer leuchtenden Klinge.
Ja, dieser Biggers hatte ganz gewiss eine gefährliche Vergangenheit. Das bewies nicht zuletzt die clever verborgene Stichwaffe.
Jermyn nahm den kleinen Dolch dankend an, berührte die scharfe Spitze und lächelte. »Sehr gut.«
»Als Ihr verschwunden wart, Mylord, nahm ich mir die Freiheit heraus, eine Duellpistole aus der Sammlung Eures Vaters zu entwenden.« Biggers holte eine Pistole aus seiner Tasche. »Ich bitte Euch, Mylord, dies ist ein feines Stück. Nehmt auch sie.«
Jermyn untersuchte die Schusswaffe. In Anbetracht des feinen Elfenbeingriffs, der schönen Verzierungen am Lauf und der Initialen J.E. unten am Schaft hätte man sie leicht für ein Spielzeug halten können. Aber sein Vater sammelte immer nur das Beste, und daher hatte Jermyn keine Zweifel, dass diese Pistole schießen würde. Er steckte sie ein und nahm auch das Pulver und die Kugeln entgegen, die sein Diener ihm reichte.
Im Augenblick konnte Jermyn sich nur auf Biggers und die Menschen auf der Insel Summerwind verlassen ... und auf die junge Dame mit der verächtlichen Miene, die ihm nicht aus dem Kopf ging.
Er bezweifelte nicht, dass sie es wagen würde, seine Kleidung zu holen, aber stellvertretend für ihn baden konnte sie nicht. »Wann ist mein Bad fertig?«
»Es dauert, bis das Wasser erhitzt ist, Mylord. Und darf ich Seine Lordschaft darauf hinweisen, dass es einer gewissen Erklärungskunst bedurfte, den Frauen in der Küche zu erläutern, warum ich tagsüber einen Badezuber in Eurem Schlafgemach benötige, obwohl Ihr gar nicht da seid.« Biggers holte ein anderes Jackett heraus. »Wie wäre das für Eure Abendmahlzeit?«
Jermyn lachte und erklärte seinem Diener erneut, wie es in dem Keller zuging, als er ein klickendes Geräusch vernahm. Die Tür zu seinem Schlafzimmer öffnete sich.
Biggers war im Begriff, aus dem Schrank zu treten und nachzusehen, wer sich dort erdreistete, einfach ohne anzuklopfen hereinzukommen, aber Jermyn legte ihm eine warnende Hand auf die Schulter und hielt ihn zurück. Die Entführung und die Gefangenschaft hatten ihn vorsichtig werden lassen.
Biggers bekam ganz große Augen, als er sich bewusst machte, dass dieses unerlaubte Eindringen eine Intrige andeuten könnte.
Kühn und ohne zu zögern ging ein dunkelhaariges Dienstmädchen an dem Wandschrank vorbei.
Biggers seufzte verstimmt.
Ihr Gesicht war von diesem Blickwinkel nicht zu sehen, aber allein an dem selbstbewussten Gang, der geraden Haltung und dem hässlichen, altmodischen Kleid wusste Jermyn ... dass es Amy war.
Jermyn bedeutete seinem Diener, sich nicht zu rühren.
Biggers nickte und spähte mit weit aufgerissenen Augen durch die halb angelehnte Schranktür.
Doch die Frau geriet aus dem Blickfeld der Männer, da sie zum Schreibtisch ging.
Jermyn drückte die Tür ein wenig weiter auf, um Amy sehen zu können.
Zunächst betrachtete sie das Schlafgemach in aller Ruhe. Sie zupfte an den Vorhängen, strich mit der Hand über das polierte Fußende des Betts und trat dann an das Fenster, das auf den Balkon mit Blick auf das Meer ging.
Sie war neugierig zu erfahren, wie Jermyn lebte, und genau dieses Interesse an seiner Person gefiel ihm.
Dann zog sie die oberste Schublade seiner Kommode
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