Ketzer
waren zu fest gezurrt und schnitten mir tief ins Fleisch. Ich dachte erneut an die Gesichter, die ich während der Messe erkannt hatte. Da war Richard Godwyn, der Jenkes’ geheime Bücher verteilte, und Rektor Underhills scharfäugiger Diener Adam, die beide sowohl mit dem Catherine Wheel als auch mit der Universität zu tun hatten. Jeder von beiden könnte Gründe gehabt haben, die verstorbenen Fellows zum Schweigen zu bringen, sei es auch nur, um sich selbst zu schützen. Vor allem für Adam wäre es ein Leichtes gewesen, die Schlüssel aus der Wohnung des Rektors zu entwenden – aber wenn sie hier die Messe besuchten, sah ich keinen Grund dafür, warum sie die Aufmerksamkeit auf das Catherine Wheel lenken sollten. Ich schloss die Augen und lehnte den Kopf gegen die Wand. Ich musste mich darauf konzentrieren, eine Möglichkeit zur Flucht zu finden; all meine Spekulationen fruchteten nichts, wenn man mich nach Sonnenaufgang mit durchschnittener Kehle in einer Gasse fand. Der Gedanke löste eine neue Panikwelle in mir aus. Ich hatte schon früher um mein Leben gefürchtet, war mir aber noch nie so hilflos vorgekommen.
Ich streckte den Hals, um den Schmerz in meinem Kiefer zu lindern, was aber nur bewirkte, dass die Schnittwunde am unteren Ende meiner Kehle heftig zu brennen begann. Ich rang krampfhaft nach Atem, wobei ich ein Stück des Tuchs einsog, das meinen Mund füllte. Keuchend und würgend warf ich den Kopf von einer Seite zur anderen, um es loszuwerden, gab dabei erstickte Laute von mir und spürte, wie meine Augen aus den Höhlen quollen. Erst als ich zur Seite kippte und mich auf dem Boden
zu winden begann, bemerkte Humphrey, was hier vor sich ging, eilte an meine Seite und entfernte den Knebel aus meinem Mund. Sowie dies geschehen war, sank ich schlaff gegen seine Schulter und schnappte mit tränenden Augen nach Luft.
»Ich lege ihn Euch vorerst nicht wieder an, Doktor Bruno, aber Ihr solltet nicht um Hilfe rufen, sonst wäre ich gezwungen, Euch zu schlagen«, flüsterte Humphrey Entschuldigung heischend, dabei richtete er mich wie eine Puppe auf, lehnte mich gegen die Wand und betrachtete mich besorgt.
»Will er mich wirklich töten?«, krächzte ich, als mir meine Stimme wieder gehorchte.
Humphrey musterte mich zweifelnd. Auf seinem breiten, gutmütigen Gesicht kämpften Pflichtbewusstsein und Mitgefühl miteinander.
»Er sagt, Ihr würdet uns den Earl of Leicester und alle Soldaten der Königin auf den Hals hetzen«, murmelte er mit ängstlich geweiteten Augen. »Und dann werden wir in den Tower gebracht und gefoltert, auch die Frauen. Sogar die Witwe Kenney, und das lasse ich nicht zu«, ergänzte er entschlossen.
»Ihr habt die Witwe Kenney gern?«, fragte ich sanft.
Humphrey nickte nachdrücklich.
»Sie hat mich aufgenommen, als ich nach Oxford kam«, erwiderte er ernst. »Vor sechs Jahren. Ich besaß damals keinen Penny. Jetzt habe ich ein Heim, Arbeit und fast so etwas wie eine Familie.«
»Ihr seid ihr sicher eine große Hilfe. War Eure eigene Familie katholisch?«, erkundigte ich mich zwischen schmerzhaften Hustenanfällen.
Wieder schüttelte er so übertrieben den Kopf, wie es ein Kind tun würde, und presste die Lippen fest zusammen.
»Witwe Kenney und Master Jenkes haben mir alles über den wahren Glauben beigebracht. Deswegen weiß ich, dass wir uns vor den Ketzern schützen müssen.«
»Ihr sagtet ›die Frauen‹«, bemerkte ich nach einer Weile. »Kommen denn viele Frauen zu diesen Treffen?«
Humphrey schien mit sich zu ringen.
»Kommt schon, in ein paar Stunden bin ich tot, Humphrey. Was kann es da schaden, wenn Ihr Euch ein wenig mit mir unterhaltet?«, schmeichelte ich. »Ihr würdet mir einen Gefallen tun.«
Das schien ihn zu überzeugen, denn er rückte näher an mich heran und schlug einen verschwörerischen Ton an.
»Es kommen ein paar Frauen aus der Stadt. Aber keine Edelfrauen; die hören die Messe zusammen mit ihresgleichen in den Herrenhäusern. Alle bis auf eine.« Seine Züge wurden weich, und ich spürte, dass ich dem Ziel nah war.
»Sophia?«
Er zwinkerte überrascht. »Kennt Ihr Sophia?« Als ich nickte, strahlte er. »Sie kommt jetzt nicht mehr so oft, aber ich erkenne sie immer, trotz ihrer Kapuze. Sie bewegt sich wie – ein Baum im Wind, versteht Ihr, was ich meine? Wie eine Weide am Fluss.«
»Ich verstehe. Sagt mir, hat Sophia unter den Mitgliedern der Gruppe hier Freunde? Ich meine Freunde, an die sie sich wenden könnte, wenn sie in
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