Kind der Prophezeiung
Bett und hörte zu, wie sich Tante Pol endlich an Barak wandte. »Du Riesentölpel«, wütete sie. »Siehst du jetzt, was deine Kindereien angerichtet haben?«
»Der Bursche ist sehr tapfer«, sagte Barak leise. Er war in eine düstere Melancholie versunken.
»Tapferkeit interessiert mich nicht«, fuhr Tante Pol ihn an. Dann hielt sie inne. »Was ist los mit dir?« fragte sie. Plötzlich streckte sie die Arme aus und nahm den Kopf des großen Mannes zwischen ihre Hände. Sie sah ihm einen Moment in die Augen und ließ ihn dann langsam los. »Oh«, sagte sie leise, »es ist also schließlich geschehen, wie ich sehe.«
»Ich konnte es nicht kontrollieren, Polgara«, sagte Barak unglücklich.
»Es wird schon wieder gut werden«, sagte sie und streichelte sanft seinen gebeugten Kopf.
»Es wird nie mehr gut«, sagte Barak.
»Versuche, etwas zu schlafen«, sagte sie. »Morgen sieht es schon nicht mehr so schlimm aus.«
Der riesige Mann drehte sich um und verließ leise das Zimmer.
Garion wußte, daß sie über das seltsame Wesen sprachen, das er gesehen hatte, als Barak ihn vor dem Keiler rettete, und er wollte Tante Pol danach fragen, aber der bittere Trank, den sie ihm gegeben hatte, ließ ihn tief und traumlos schlafen, noch ehe er die Frage formulieren konnte.
16
A m nächsten Tag fühlte sich Garion zu steif und zerschlagen, um überhaupt an Aufstehen zu denken. Ein Strom von Besuchern beschäftigte ihn jedoch so, daß er seine Schmerzen fast vergaß. Die Besuche der alornischen Könige in ihren prachtvollen Gewändern schmeichelten ihm sehr, und sie alle lobten seinen Mut. Dann kamen die Königinnen und machten großes Aufheben um seine Verletzungen, zeigten warmes Mitgefühl und strichen ihm sanft über die Stirn. Die Mischung aus Lob, Mitgefühl und dem Bewußtsein, der absolute Mittelpunkt zu sein, war überwältigend, und ihm floß das Herz über.
Der letzte Besucher des Tages war jedoch Meister Wolf, der kam, als der Abend schon durch die verschneiten Straßen von Val Alorn kroch. Der alte Mann trug seine normale Tunika und seinen Umhang, und seine Kapuze war hochgeschlagen, als sei er draußen gewesen.
»Hast du meinen Keiler gesehen, Meister Wolf?« fragte Garion stolz.
»Ein großartiges Tier«, antwortete Meister Wolf, allerdings ohne sonderliche Begeisterung, »aber hat dir denn niemand gesagt, daß es üblich ist, aus dem Weg zu springen, wenn man den Keiler mit dem Speer durchbohrt hat?«
»Ich habe eigentlich nicht darüber nachgedacht«, gab Garion zu, »aber wäre das nicht, nun ja, feige?«
»Hast du dir genausoviel Gedanken darüber gemacht, was das Schwein wohl von dir gedacht hat?«
»Nun«, stotterte Garion, »eigentlich nicht.«
»Du entwickelst einen erstaunlichen Mangel an Vernunft für dein Alter«, stellte Wolf fest. »Normalerweise dauert es Jahre, um den Punkt zu erreichen, an dem du anscheinend über Nacht angelangt bist.« Er wandte sich an Tante Pol, die in der Nähe saß. »Polgara, bist du ganz sicher, daß im Stammbaum unseres Garion nicht eine Spur arendisches Blut zu finden ist? In letzter Zeit hat er sich sehr arendisch verhalten. Zuerst reitet er über den Großen Strudel wie auf einem Schaukelpferd, dann versucht er, mit seinen Rippen die Hauer eines wilden Keilers zu brechen. Bist du sicher, daß er dir nicht einmal auf den Kopf gefallen ist, als er noch ein Baby war?«
Tante Pol lächelte, sagte aber nichts.
»Ich hoffe, daß du dich bald erholst, mein Junge«, sagte Wolf, »und versuche, ein wenig darüber nachzudenken, was ich dir gesagt habe.«
Garion schmollte, tödlich beleidigt von Meister Wolfs Worten. Tränen stiegen ihm trotz aller Anstrengung, sie zurückzuhalten, in die Augen.
»Danke, daß du vorbeigekommen bist, Vater«, sagte Tante Pol.
»Es ist mir immer ein Vergnügen, dich zu besuchen, meine Tochter«, sagte Wolf und verließ leise das Zimmer.
»Warum mußte er so mit mir reden?« sprudelte Garion hervor und wischte sich die Nase. »Jetzt ist er weg und hat alles verdorben.«
»Was verdorben, mein Lieber?« fragte Tante Pol und strich ihr Kleid glatt.
»Alles«, beschwerte sich Garion. »Die Könige haben alle gesagt, daß ich sehr tapfer war.«
»Könige sagen nun mal so etwas«, sagte Tante Pol. »Ich würde nicht allzu viel darauf geben, wenn ich du wäre.«
»Ich war doch tapfer, oder?«
»Bestimmt, mein Lieber«, antwortete sie. »Ich bin sicher, daß das Schwein sehr beeindruckt war.«
»Du bist genauso schlimm wie Meister
Weitere Kostenlose Bücher