Kinder Des Nebels
Kenntnis gesetzt, dass ich während eurer Reise irgendwann vorbeischaue.«
»Und mir wolltest du es nicht sagen?«
Kelsier blinzelte ihr zu und schloss die Tür. »Ich wollte es dir für deine Überraschung in der Gasse letzte Woche heimzahlen.«
»Wie erwachsen von dir«, sagte Vin böse.
»Ich habe schon immer fest auf meine Unreife vertraut. Also, bist du bereit für den heutigen Abend?«
Vin zuckte die Achseln und versuchte ihre Nervosität zu verbergen. Sie senkte den Blick. »Wie ... äh, wie sehe ich aus?«
»Großartig«, antwortete Kelsier. »Genau wie eine adlige junge Dame. Du brauchst nicht nervös zu sein, Vin. Deine Verkleidung ist perfekt.«
Aus irgendeinem Grund war das nicht die Antwort, die sie hatte hören wollen. »Kelsier?«
»Ja?«
»Ich wollte dich das schon seit einiger Zeit fragen«, sagte sie und schaute aus dem Fenster, aber alles, was sie dahinter sah, war Nebel. »Ich verstehe, dass es für dich wichtig ist, einen Spion im Adel zu haben. Aber ... müssen wir es wirklich auf diese Weise machen? Könnten wir nicht unabhängige Informanten finden, die uns alles sagen, was wir über die Politik der Häuser wissen müssen?«
»Vielleicht«, erwiderte Kelsier. »Aber diese Personen tragen die Bezeichnung ›Informanten‹ aus einem ganz bestimmten Grund, Vin. Jede Frage, die du ihnen stellst, verrät ihnen etwas über deine wahren Motive. Schon ein bloßes Zusammentreffen mit ihnen verschafft ihnen Informationen, die sie wiederum an andere verkaufen können. Es ist besser, sich so wenig wie möglich auf sie zu verlassen.«
Vin seufzte.
»Ich würde dich nicht ohne Not der Gefahr aussetzen, Vin«, versprach Kelsier ihr und beugte sich vor. »Wir brauchen unbedingt einen Spion in Adelskreisen. Die Informanten erhalten ihr Wissen üblicherweise von der Dienerschaft. Du und Sazed werden entscheidende Dinge mit anhören, die den einfachen Informanten gar nicht wichtig erscheinen. Allein eure Anwesenheit bei diesen Festlichkeiten - selbst wenn ihr gar nichts mitbekommt - verschafft uns bereits gewisse Informationen.«
»Wieso?«, wollte Vin wissen.
»Merkt euch die Leute, die an euch interessiert sind«, sagte Kelsier. »Sie stammen aus den Häusern, die wir beobachten werden. Wenn sie euch Aufmerksamkeit schenken, dann vermutlich auch dem Grafen Renoux - und es gibt einen guten Grund, warum sie das tun sollten.«
»Waffen«, sagte Vin.
Kelsier nickte. »Renoux' Stellung als Waffenlieferant macht ihn für all jene wertvoll, die eine Militäraktion planen. Das sind die Häuser, auf die ich besonders achtgeben werde. Es sollten bereits gewisse Spannungen im Adel herrschen. Wenn wir Glück haben, fragt man sich schon, welche Häuser sich gegeneinander wenden werden. Seit über einem Jahrhundert hat es keinen offenen Krieg mehr unter den Großen Häusern gegeben, aber dieser letzte war verheerend. Wir müssen ihn wiederholen.«
»Das könnte den Tod unzähliger Adliger bedeuten«, gab Vin zu bedenken.
Kelsier lächelte. »Damit kann ich leben. Und wie ist es mit dir?«
Trotz ihrer Anspannung lächelte Vin ebenfalls.
»Es gibt noch einen anderen Grund für deine Rolle«, sagte Kelsier. »Vielleicht müssen wir zu irgendeinem Zeitpunkt meines katastrophalen Plans dem Obersten Herrscher gegenübertreten. Ich glaube, je weniger Leute wir brauchen, um uns in seine Nähe zu stehlen, desto besser ist es. Es könnte uns einen mächtigen Vorteil verschaffen, wenn wir eine Skaa-Nebelgeborene in den Adel eingeschleust haben.«
Vin fröstelte. »Der Oberste Herrscher ... wird er heute Abend da sein?«
»Nein. Es werden Obligatoren anwesend sein, aber vermutlich keine Inquisitoren - und bestimmt nicht der Oberste Herrscher persönlich. Eine Festlichkeit wie diese steht weit unter seiner Würde.«
Vin nickte. Sie hatte den Obersten Herrscher noch nie gesehen, und sie verspürte auch nicht die geringste Neigung dazu.
»Mach dir nicht so viele Sorgen«, sagte Kelsier. »Selbst wenn du ihm begegnen solltest, wärest du in Sicherheit. Er kann keine Gedanken lesen.«
»Wirklich nicht?«
»Nein. Aber falls er es doch können sollte, wird er es nicht bei jedem tun, mit dem er zusammentrifft. Ich kenne einige Skaa, die sich in seiner Gegenwart als Adlige ausgegeben haben. Ich habe es selbst schon ein paar Mal getan ...« Er verstummte und schaute hinunter auf seine vernarbten Hände.
»Am Ende hat er dich aber doch erwischt«, sagte Vin leise.
»Und es wird ihm vielleicht wieder gelingen«, meinte
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