Kinder Des Nebels
Stück Metall, das sie sah, zog heftig daran und riss sich dadurch vom Boden hoch. Mit unbändiger Geschwindigkeit schoss sie den Korridor entlang; Entsetzen fachte ihr Eisen an.
Plötzlich schlingerte sie, und alles drehte sich um sie herum. Unbeholfen fiel sie zu Boden und schlug mit dem Kopf gegen den rauen Stein. Sie lag benommen da und fragte sich, was los war. Die Geldbörse ... jemand hatte mit allomantischer Kraft an ihr gezogen und das Metall dazu benutzt, sie nach hinten zu stoßen.
Vin rollte zur Seite und sah, wie eine dunkle Gestalt durch den Korridor heranschoss. Die Robe des Inquisitors flatterte hinter ihm her, als er nicht weit von Vin entfernt auf den Boden traf. Mit unbeteiligter Miene schritt er auf sie zu.
Vin verbrannte Zinn und Weißblech und bekam wieder einen klaren Kopf. Die Schmerzen wichen zurück. Sie schleuderte einige Münzen gegen den Inquisitor und wandte ihren Stahldruck an.
Er hob die Hand, und die Münzen erstarrten mitten in der Luft. Plötzlich warf Vins Druck sie nach hinten. Sie taumelte und stolperte über die Steine.
Während Vin zum Stillstand kam, hörte sie, wie die Münzen zu Boden fielen. Sie schüttelte den Kopf; ein Dutzend frische Prellungen flammten wütend an ihrem Körper auf. Der Inquisitor trat über die Münzen und kam mit geschmeidigen Schritten auf sie zu.
Ich muss weg von hier!
Sogar Kelsier hatte Angst vor der Begegnung mit einem Inquisitor gehabt. Wenn er schon nicht gegen eine solche Kreatur kämpfen konnte, welche Aussichten hatte sie dann?
Keine. Sie ließ die Börse fallen, sprang auf die Beine, rannte los und huschte durch die erste Tür, die sie sah. Der Raum da hinter war menschenleer, doch in seiner Mitte stand ein goldener Altar. Es blieb nur wenig Raum zwischen ihm, den vier Kandelabern in den Ecken und den angehäuften Sakralgegenständen.
Vin drehte sich um, zog einen der Kandelaber in ihre Hände und dachte daran, wie Kelsier vorhin den großen Kerzenständer eingesetzt hatte. Der Inquisitor betrat den Raum, hob beinahe belustigt die Hand und riss ihr mit einem einfachen allomantischen Zug das Eisen aus der Hand.
Er ist so stark!,
dachte Vin entsetzt. Vermutlich hielt er das Gleichgewicht, indem er sich an den Aufhängungen der Lampen hinter ihm verankerte. Doch die Wucht seines Eisenziehens war viel gewaltiger als bei Kelsier.
Vin zog sich ein wenig nach oben und sprang über den Altar. Der Inquisitor bei der Tür griff nach einer Schale, die auf einer kleinen Säule stand, und nahm etwas aus ihr, das wie eine Handvoll kleiner metallischer Dreiecke aussah. Sie waren an allen Seiten geschärft und schnitten ihm an Dutzenden von Stellen in die Hand. Er beachtete die Wunden nicht und hob die blutige Hand in Vins Richtung.
Vin schrie auf und duckte sich hinter den Altar, während die Metallstücke auf die Wand hinter ihr zuflogen.
»Du sitzt in der Falle«, sagte der Inquisitor mit kratziger Stimme. »Komm mit mir.«
Vin warf einen raschen Blick zur Seite. In diesem Zimmer gab es keine weiteren Türen. Sie hob den Kopf ein wenig und sah hinüber zu dem Inquisitor; sofort schoss ein Metalldreieck auf ihr Gesicht zu. Sie drückte mit ihrer allomantischen Kraft dagegen, aber der Inquisitor war zu stark. Sie musste sich ducken, so dass das Metall an ihr vorbeiflog, denn sonst hätte die Kraft des Inquisitors sie gegen die Wand genagelt.
Ich brauche etwas, womit ich ihn abblocken kann. Etwas, das nicht aus Metall ist.
Während sie hörte, wie der Inquisitor den Raum betrat, fand sie, was sie benötigte: ein großes, in Leder gebundenes Buch, das neben dem Altar lag. Sie packte es und hielt inne. Es war sinnlos, reich zu sterben. Also zog sie Kelsiers Phiole hervor, trank das Atium und verbrannte es.
Der Schatten des Inquisitors umrundete den Altar, und eine Sekunde später folgte ihm der wirkliche Inquisitor. Der Atiumschatten öffnete die Hand, und etliche winzige, durchscheinende Dolche flogen auf sie zu.
Vin hob das Buch, als die wirklichen Dolche folgten. Sie schwang den Folianten durch die Schatten, während die wirklichen Dolche auf sie zu schossen. Jeden einzelnen erwischte sie; ihre dünnen, scharfen Klingen bohrten sich tief in den Ledereinband des Buches.
Der Inquisitor erstarrte, und sie wurde mit einem Ausdruck der Verwirrung auf seinem verzerrten Gesicht belohnt. Dann schossen hundert Schattenbilder aus seinem Körper.
Oberster Herrscher!,
dachte Vin. Auch er besaß Atium.
Ohne sich weitere Gedanken darüber zu machen,
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