Kinder Des Nebels
gestorben«, sagte Vin.
Kelsier schüttelte den Kopf. »Ich entschied, dass ich für die Erfüllung ihres Traumes sorgen würde. Ich wollte eine Welt erschaffen, in der es wieder Blumen und Blüten gibt, eine Welt mit grünen Pflanzen, eine Welt, in der kein Ruß vom Himmel fällt ...« Er verstummte und seufzte. »Ich weiß, ich bin verrückt.«
»Eigentlich ergibt es jetzt doch einen Sinn«, meinte Vin. Kelsier lächelte. Die Sonne versank hinter dem Horizont, und während ihr Licht noch im Westen glühte, erschienen bereits die Nebel. Sie kamen nicht von einem bestimmten Ort, sondern sie wuchsen einfach. Sie erstreckten sich wie durchscheinende, gewundene Ranken, wichen vor und zurück, dehnten sich aus, tanzten, flossen ineinander.
»Mare wollte Kinder haben«, sagte Kelsier plötzlich. »Damals, als wir geheiratet haben, vor anderthalb Jahrzehnten. Ich war anderer Meinung. Ich wollte der berühmteste Skaa-Dieb aller Zeiten werden und hatte daher keine Zeit für Hemmnisse.
Vermutlich ist es gut, dass wir keine Kinder hatten. Der Oberste Herrscher hätte sie aufgespürt und getötet. Oder auch nicht. Dox und die anderen haben ja überlebt. Und jetzt wünschte ich mir manchmal, ich hätte noch etwas von ihr in meiner Nähe. Ein Kind. Eine Tochter vielleicht, mit Mares dunklem Haar und ihrer unverwüstlichen Sturheit.«
Er verstummte und schaute auf Vin herunter. Schließlich sagte er: »Ich will nicht verantwortlich dafür sein, dass dir etwas zustößt, Vin. Nicht schon wieder.«
Vin zog die Stirn kraus. »Ich werde aber nicht länger in diesem Gefängnis von einem Haus bleiben.«
»Das glaube ich dir. Falls wir versuchen sollten, dich noch länger hierzubehalten, wirst du vermutlich eines Nachts in Keulers Laden auftauchen, nachdem du etwas sehr Dummes getan hast. Wir sind uns viel zu ähnlich, du und ich. Sei vorsichtig.«
Vin nickte. »Das werde ich.«
Sie standen noch einige Zeit da und sahen zu, wie sich die Nebel sammelten. Schließlich reckte und streckte sich Kelsier. »Ich bin jedenfalls froh, dass du dich entschlossen hast, bei uns mitzumachen.«
Vin zuckte die Achseln. »Ehrlich gesagt würde ich eine von diesen Blüten gern selbst einmal sehen.«
Man könnte sagen, dass die Umstände mich gezwungen haben, meine Heimat zurückzulassen. Wenn ich geblieben wäre, wäre ich jetzt tot. Während jener Tage, in denen ich fortrannte, ohne den Grund dafür zu kennen, und eine Last mit mir herumtrug, die ich nicht verstand, nahm ich an, ich würde mich irgendwo in Khlennium verlieren und ein unbedeutendes Leben führen.
Allmählich gelange ich zu der Erkenntnis, dass die Anonymität, wie so viele andere Dinge auch, für mich auf immer verloren ist.
Kapitel 18
S ie hatte sich für das rote Kleid entschieden. Es war eindeutig die gewagteste Wahl, aber es fühlte sich richtig an.
Schließlich verbarg sie ihr wahres Selbst hinter einer aristokratischen Fassade, und je deutlicher diese Fassade zu sehen war, desto einfacher sollte es für sie sein, sich dahinter zu verstecken.
Ein Lakai öffnete die Kutschentür. Vin atmete tief durch. Ihre Brust war durch das spezielle Korsett eingeschnürt, das sie tragen musste, um ihren Verband zu verstecken. Sie reichte dem Lakaien die Hand und kletterte aus dem Wagen. Dann glättete sie ihr Kleid, nickte Sazed zu und gesellte sich zu den anderen Adligen, welche die Freitreppe zur Festung Elariel hinaufschritten. Sie war etwas kleiner als die Festung des Hauses Wager, doch das Haus Elariel besaß einen eigenen Ballsaal, während das Haus Wager seine Feste in der gewaltigen Haupthalle feierte.
Vin beäugte die übrigen adligen Frauen und spürte, wie ihr Selbstvertrauen ein wenig schrumpfte. Ihr Kleid war zwar sehr schön, aber die anderen Frauen besaßen so viel mehr als nur Kleider. Ihre langen, fließenden Haare und ihr sicheres Auftreten passten vollkommen zu ihrem juwelenbehangenen Äußeren. Die Oberteile ihrer Kleider waren mit üppigen Kurven ausgefüllt, und sie bewegten sich elegant unter dem gerüschten Reichtum der Röcke. Gelegentlich erhaschte Vin den Anblick eines Frauenfußes, der nie in einfachen Straßenschuhen, sondern immer in solchen mit hohen Absätzen steckte.
»Warum habe ich nicht solche Schuhe?«, fragte sie leise, während sie die mit einem Teppichläufer bedeckte Treppe erklomm.
»Hohe Absätze bedürfen besonderer Übung, Herrin«, erwiderte Sazed. »Da Ihr gerade erst zu tanzen gelernt habt, ist es das Beste, wenn Ihr erst einmal
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