Kinder Des Nebels
besänftigen, Weher. Versuch das
niemals.«
Weher hielt inne; er hatte den Mund leicht geöffnet. »Na gut«, sagte er schließlich, »ich gebrauche bei dir keine Allomantie. Mir reicht die Wahrheit. Weißt du, was ich denke? Ich denke, du hattest nie vor, das Atium zu stehlen.
Du hast uns benutzt. Du hast uns Reichtum versprochen, damit wir dir helfen, aber es war nie deine Absicht, uns reich zu machen. Es geht dir nur um dein verrücktes Selbstbewusstsein und darum, dass du der berühmteste Bandenführer aller Zeiten werden willst.
Deswegen
verbreitest du all diese Gerüchte und hast so viele Soldaten rekrutiert. Du kennst den Reichtum - und jetzt willst du eine Legende werden.«
Weher verstummte; sein Blick war hart. Kelsier stand mit ver schränkten Armen da und sah seine Mannschaft an. Einige schauten zur Seite; ihre Verlegenheit zeigte deutlich, dass sie einer Meinung mit Weher waren. Vin gehörte zu ihnen. Das Schweigen hielt an, alle warteten darauf, dass er Wehers Worte widerlegte.
Abermals ertönten Schritte von draußen, und Spuki platzte in die Küche. »Macht euch de Müh un' kommt nach obn! 'ne Versammlung aufm Brunneplatz!«
Kelsier wirkte nicht überrascht.
»Eine Versammlung auf dem Brunnenplatz?«, fragte Hamm langsam. »Das bedeutet ...«
»Kommt«, sagte Kelsier und richtete sich auf. »Das sehen wir uns an.«
*
»Ich würde das lieber nicht tun, Kell«, sagte Hamm. »Ich habe meine Gründe, warum ich das vermeide.«
Kelsier beachtete ihn nicht. Er ging am Kopf der Mannschaft, die - einschließlich Weher - allerweltliche Skaa-Kleidung und unscheinbare Umhänge trug. Ein leichter Ascheregen hatte eingesetzt, und unbekümmerte Flocken trieben vom Himmel herab wie Blätter, die ein unsichtbarer Baum abgeworfen hatte.
Große Gruppen von Skaa verstopften die Straßen; die meisten von ihnen waren Arbeiter aus den Fabriken und Mühlen. Vin kannte nur einen einzigen Grund, warum Arbeitern freigegeben und erlaubt wurde, sich auf dem zentralen Platz der Stadt zu sammeln.
Eine Hinrichtung.
Sie hatte noch nie an so etwas teilgenommen. Offiziell mussten alle Einwohner der Stadt - Skaa und Adlige - bei den Hinrichtungszeremonien anwesend sein, doch die Diebesbanden wussten, wie sie sich verstecken konnten. In der Ferne läuteten die Glocken und verkündeten das Ereignis, und Obligatoren sahen von den Straßenrändern aus zu. Sie würden in die Mühlen und Schmieden und auch wahllos in etliche Wohnhäuser gehen und nach jenen suchen, die dem Ruf nicht folgten; ihre Strafe war der Tod. So viele Leute zu versammeln, war ein gewaltiges Unternehmen, aber es unterstrich, wie mächtig der Oberste Herrscher war.
Je näher Vins Bande dem Brunnenplatz kam, desto überfüllter waren die Straßen. Hausdächer waren besetzt worden, und die Leute drängten sich in Massen vorwärts.
Es ist unmöglich, dass sie alle auf den Platz passen.
Luthadel war nicht wie die anderen Städte; seine Bevölkerung war gewaltig. Selbst wenn nur die Männer teilnahmen, war es unmöglich, dass jeder einen freien Blick auf die Hinrichtungen hatte.
Sie kamen trotzdem. Teils, weil es von ihnen gefordert wurde, teils, weil sie während dieses Schauspiels nicht arbeiten mussten, und teils - wie Vin vermutete -, weil sie dieselbe morbide Neugier wie alle anderen Menschen auch besaßen.
Als die Menge noch dichter wurde, bahnten Kelsier, Docksohn und Hamm der Mannschaft einen Weg zwischen den Zuschauern hindurch. Einige Skaa warfen der Bande böse Blicke zu, aber viele waren gefügig; ihre Blicke waren leer. Manche schienen überrascht, ja sogar aufgeregt zu sein, wenn sie Kelsier sahen, auch wenn seine Narben nicht sichtbar waren. Diese Leute gingen ihnen eifrig aus dem Weg.
Schließlich hatte die Bande die äußere Gebäudereihe erreicht, die den Platz umgab. Kelsier wählte eines der Häuser aus, nickte in dessen Richtung, und Docksohn bewegte sich darauf zu. Ein Mann vor der Tür versuchte ihm den Zutritt zu verwehren, aber Docksohn deutete auf das Dach und klimperte verführerisch mit seiner Geldbörse. Ein paar Minuten später hatte die Bande das ganze Dach für sich allein.
»Rauch uns bitte ein, Keuler«, sagte Kelsier leise.
Der mürrische Handwerker nickte und machte die Mannschaft unsichtbar gegen den allomantischen Bronzesinn. Vin kauerte sich an den Dachrand, legte die Hände auf die niedrige Steinbrüstung und schaute auf den Platz unter ihr. »So viele Menschen ...«
»Du hast doch dein ganzes Leben in Städten
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