Kinder Des Nebels
versetzen.
Ich weiß nicht, was er ist, aber ich glaube, er ist eher ein Mensch als ein Gott. Die Worte in diesem Tagebuch ... das sind die Worte einer gewöhnlichen Person. Seine wahre Macht stammt von seinen Armeen und seinem Reichtum. Wenn wir ihn weglocken, wird er den Zusammenbruch seines Reiches nicht aufhalten können.«
Vin war sich da nicht so sicher. »Er ist vielleicht kein Gott, aber ... er ist irgendetwas, Kelsier. Irgendetwas
anderes.
Als er heute auf dem Platz war, konnte ich spüren, wie er meine Gefühle berührt hat, obwohl ich Kupfer verbrannt habe.«
»Das ist unmöglich, Vin«, sagte Kelsier und schüttelte den Kopf. »Wenn es so wäre, dann könnten die Inquisitoren Allomantie spüren, auch wenn ein Raucher in der Nähe ist. Und wenn das wiederum der Fall wäre, warum fangen sie dann nicht alle Skaa-Nebelinge ein und bringen sie um?«
Darauf wusste Vin keine Antwort.
»Es ist dir bekannt, dass der Oberste Herrscher sehr stark ist«, fuhr Kelsier fort, »und du hast den Eindruck, als müsstest du ihn einfach spüren. Also spürst du ihn auch.«
Vielleicht hat er Recht,
dachte sie und bröckelte ein weiteres Stück vom Fensterrahmen ab.
Schließlich ist er schon viel länger Allomant als ich.
Aber ... ich habe doch etwas gespürt, oder? Und der Inquisitor, der mich beinahe umgebracht hätte ... irgendwie hat er mich trotz Dunkelheit und Regen gefunden. Er muss etwas gespürt haben.
Sie wechselte das Thema. »Könnten wir das Elfte Metall nicht ausprobieren und sehen, was passiert?«
»So einfach ist das nicht«, sagte Kelsier. »Erinnerst du dich daran, dass ich dir einmal gesagt habe, du sollst niemals ein Metall verbrennen, das nicht zu den zehn allomantischen gehört?«
Vin nickte.
»Ein anderes Metall zu verbrennen kann tödlich sein«, erklärte Kelsier. »Selbst die falsche Mischung in einer Legierung kann dich krank machen. Wenn ich mich bei dem Elften Metall irre ...«
»... dann wird es dich umbringen«, beendete Vin den Satz leise. »Ja.«
Also bist du dir nicht ganz so sicher, wie du zu sein vorgibst,
schloss sie aus seiner Antwort.
Ansonsten hättest du es schon längst versucht.
»Das ist es, was du in dem Tagebuch zu finden hoffst«, erkannte Vin. »Einen Hinweis darauf, wie man das Elfte Metall benutzen kann.«
Kelsier nickte. »Ich fürchte, in dieser Hinsicht haben wir noch keinen Erfolg gehabt. Bisher hat das Tagebuch die Allomantie nicht einmal erwähnt.«
»Aber es spricht von der Ferrochemie«, sagte Vin.
Von seinem Platz am Fenster sah Kelsier sie an; mit einer Schulter lehnte er gegen die Wand. »Hat Sazed dir davon erzählt?«
Vin senkte den Blick. »Ich ... man könnte sagen, dass ich ihn dazu gezwungen habe.«
Kelsier kicherte. »Ich frage mich, was ich da auf die Welt losgelassen habe, indem ich dir Allomantie beigebracht habe. Natürlich hat mein Lehrer damals dasselbe zu mir gesagt.«
»Er hat sich nicht umsonst Sorgen gemacht.«
»Natürlich nicht.«
Vin lächelte. Die Sonne war fast untergegangen, und durchscheinende Nebelflecke bildeten sich in der Luft. Sie hingen dort wie Geister, wurden allmählich größer und breiteten sich immer weiter aus, je mehr die Nacht voranschritt.
»Sazed hatte keine Zeit, mir die ganze Ferrochemie zu erklären«, sagte Vin vorsichtig. »Was kann sie bewirken?« Sie wartete nervös und befürchtete, dass Kelsier ihre Lüge durchschaute.
»Ferrochemie ist eine vollständig auf das Innere beschränkte Angelegenheit«, sagte er. »Mit ihr kann man einige der Dinge erreichen, die uns durch Weißblech und Zinn möglich sind: Stärke, Ausdauer, besseres Sehen - aber jede dieser Eigenschaften muss einzeln gespeichert werden. Überdies kann sie viele andere Fähigkeiten verstärken, bei denen Allomantie nicht wirkt. Das Gedächtnis zum Beispiel, oder Schnelligkeit und klares Denken. Auch einige seltsame Umstände wie das eigene Körpergewicht oder Alter können durch Ferrochemie verändert werden.«
»Also ist sie mächtiger als die Allomantie?«, fragte Vin.
Kelsier zuckte die Schultern. »Die Ferrochemie verleiht keine nach außen wirkenden Kräfte. Man kann mit ihr keine Gefühle beeinflussen und auch nicht Stahl drücken oder Eisen ziehen. Die größte Beschränkung der Ferrochemie liegt darin, dass sie einem nur die Fähigkeiten verleiht, die sie vorher aus dem eigenen Körper gezogen hat.
Willst du für kurze Zeit doppelt so stark wie gewöhnlich sein? Dann musst du mehrere Stunden in einem Zustand der
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