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Kinder Des Nebels

Kinder Des Nebels

Titel: Kinder Des Nebels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brandon Sanderson
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Selbstüberschätzung.«
    Mir ist er in diesem Text als nicht sehr egoistisch erschienen,
dachte Vin.
Eigentlich eher als das Gegenteil.
    »Jedenfalls werden wir mehr wissen, wenn auch die letzten Abschnitte übersetzt sind«, sagte Kelsier.
    Draußen wurde es immer dunkler, und Vin musste ihr Zinn anfachen, damit sie noch etwas sehen konnte. Nun schälte sich die Straße unter dem Fenster aus der Dunkelheit und lag in einer seltsamen Mischung aus Schatten und Strahlen da, wie es für den vom Zinn gestärkten Blick üblich war. Natürlich wusste Vin, dass es dunkel war, und doch konnte sie sehen - zwar nicht so wie im Licht des Tages, denn alles war irgendwie gedämpft, aber wenigstens vermochte sie etwas zu erkennen.
    Kelsier blickte auf seine Taschenuhr.
    »Wie lange noch?«, fragte Vin.
    »Eine halbe Stunde«, antwortete er. »Vorausgesetzt, er ist pünktlich - und das bezweifle ich. Er ist schließlich mein Bruder.«
    Vin grinste und lehnte sich mit verschränkten Armen auf das morsche Fensterbrett. Das Atium, das Kelsier ihr gegeben hatte, beruhigte sie, auch wenn es nur eine sehr kleine Dosis war.
    Der Gedanke an das Atium erinnerte sie an etwas Wichtiges. Etwas, das sie schon bei mehreren Gelegenheiten als störend empfunden hatte. »Du hast mir noch nicht den Gebrauch des neunten Metalls gezeigt«, beschwerte sie sich und drehte sich zu Kelsier um.
    Er zuckte die Achseln. »Nein. Die letzten beiden Metalle folgen nicht den Mustern der anderen acht. Das neunte Metall ist Gold.«
    »Gold?«, wiederholte Vin erstaunt. »Dann hätte ich es doch schon vor langer Zeit selbst ausprobieren können!«
    Kelsier lachte auf. »Vorausgesetzt, du hättest es wirklich gewollt. Das Verbrennen von Gold ist eine eher unangenehme Erfahrung.«
    Vin kniff die Augen zusammen und schaute wieder aus dem Fenster.
Das werden wir noch sehen,
dachte sie.
    »Du wirst es trotzdem versuchen, nicht wahr?«, fragte Kelsier lächelnd.
    Vin gab darauf keine Antwort.
    Kelsier seufzte, griff in seinen Rucksack und holte daraus einen goldenen Kastling sowie eine Feile hervor. »Du solltest es hiermit einmal versuchen«, sagte er und hielt die Feile hoch. »Wenn du aber dein Metall selbst sammelst, solltest du erst ein klein wenig davon verbrennen und dich vergewissern, dass es rein oder im richtigen Verhältnis legiert ist.«
    »Und was ist, wenn es nicht so ist?«, fragte Vin.
    »Das weißt du bereits«, antwortete Kelsier und feilte an der Münze herum. »Erinnerst du dich an deine Kopfschmerzen, die du vom Weißblechentzug hattest?«
    »Ja.«
    »Bei schlechtem Metall ist es noch schlimmer«, erklärte Kelsier. »Viel schlimmer. Kauf deine Metalle, wenn es möglich ist. In jeder Stadt gibt es eine kleine Gruppe von Händlern, die Metalle in Pulverform an Allomanten verkaufen. Diese Händler haben ein großes Interesse an der Reinheit ihrer Metalle, denn ein verdrießlicher Nebelgeborener mit Kopfschmerzen ist nicht unbedingt die Art von Kunde, mit dem sie gern zu tun haben.« Kelsier hörte auf zu feilen und sammelte den Goldstaub auf einem kleinen Stofftuch. Er legte sich ein Stäubchen auf den Finger und schluckte es.
    »Es ist gut«, sagte er und gab ihr das Tuch. »Na los. Denk aber daran, dass das Verbrennen des neunten Metalls eine seltsame Erfahrung ist.«
    Vin nickte und war plötzlich doch ein wenig ängstlich.
Du wirst es nie wissen, wenn du es nicht selbst ausprobierst,
sagte sie sich, schüttete sich die staubartigen Flocken in den Mund und spülte mit Wasser aus ihrem Schlauch nach.
    Eine neue Metallreserve tauchte in ihrem Innern auf, unvertraut und ganz anders als diejenigen, die sie schon kannte. Sie sah Kelsier an, holte tief Luft und verbrannte Gold.
    Plötzlich war sie an zwei Orten gleichzeitig. Sie sah sich selbst, und sie sah sich ein weiteres Mal.
    Die eine Person war eine fremde Frau, ganz anders als das behutsame und vorsichtige Mädchen, das sie immer gewesen war und das niemals ein unvertrautes Metall verbrannt hätte, nur weil ein Mann es ihr empfahl. Doch diese Frau war dumm; sie hatte viele Dinge vergessen, die ihr so lange das Überleben gesichert hatten. Sie trank aus Bechern, die andere ihr gaben. Sie freundete sich mit Fremden an. Sie behielt die Leute um sie herum nicht im Auge. Sie war noch immer viel vorsichtiger als andere Menschen, aber sie hatte so vieles verloren.
    Ihr anderes Ich war etwas, das sie insgeheim immer gehasst hatte. Ein Kind. So dünn, dass man es schon als dürr bezeichnen konnte, einsam,

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