Kinderfrei
Solidargemeinschaft.
(K)eine Stütze der Gesellschaft
Don Alphonso, 44, ist Autor, Journalist und einer von Deutschlands bekanntesten Bloggern. Auf faz.net avancierten seine »Stützen der Gesellschaft« zum erfolgreichsten und meistgelesenen Blog.
Kinder zu haben hat mich nie interessiert. Von meiner Familie bin ich deswegen glücklicherweise nie unter Druck gesetzt worden. Nur meine Großmutter hat manchmal ihr Bedauern geäußert. Vor allem hat ihr Kopfzerbrechen bereitet, wer denn dann den ganzen schönen Besitz erben soll. Aber meinen Eltern ist das mehr oder weniger egal. Problematisch wären eher Dinge wie Scheidung, uneheliche Verhältnisse mit Kindsunfällen und anderes, was in meiner Heimat zu Tratschereien führt. Aber so weit kommt es erst gar nicht.
Meine Freundin dagegen will unbedingt Kinder. Wie ich damit umgehe? Das ist zwischen uns ein Thema, dessen Vermeidung der Sache nur guttut. Ich gehe also gar nicht damit um. Keine Kinder zu haben ist im Übrigen nicht weiter ein Problem. Etwas zu unterlassen ist einfacher, als etwas zu tun. Zudem bin ich ohnehin nicht der Mann, mit dem sie Kinder würde haben wollen.
Wenn ich bei »Stützen der Gesellschaft« über meine Einstellung zum Kinderhaben schreibe, gehen oft ziemlich feindselige Kommentare ein. Das ist aber auch nicht weiter überraschend. Die FAZ ist nun nicht gerade ein linkes Kampfblatt, und natürlich erwarten viele Leser eine konservative Werteorientierung, die ich teilweise selbst auch lebe: Ich wohne in einem alten Haus, habe viel mit meiner Familie zu tun, lege Wert auf Ordnung und geregelte Verhältnisse. Gerade deshalb ist es für viele unverständlich, wieso ich in diesem Punkt von der Mehrheitsmeinung meines Umfeldes fundamental abweiche. In ihren Augen darf das nicht fehlen. Ich persönlich aber finde es absolut verzichtbar. Da gibt es keine Einigung.
Irgendwo bewundere ich die Fähigkeit zur Selbsttäuschung bei Menschen, die Kinder haben und denken, sie haben Spaß dabei. Finde ich super! Sollen sie auch genau so machen. So sind alle glücklich und zufrieden, und wenn sie jetzt noch aufhören könnten, mir dieses Glück aufschwatzen zu wollen, wäre die Sache wirklich famos. Wie Villon einmal so schön sagte: In unsrem Puff kriegt jeder, was er braucht. Ich brauche meine Freiheit, meinen Spaß am Leben und das Gefühl, stets tun zu können, was mir gefällt. Ich bin sicher hedonistisch, aber wenn eine Mama ihr Schreibratz anderen Leuten zumutet, ist es auch nicht gerade ein Dienst an der Gesellschaft. Im Übrigen kann wirklich niemand behaupten, es gäbe zu wenige Menschen in Deutschland: Jedes Kaff ist doch mittlerweile zersiedelt.
7 Kinderwunsch oder Kinderwahn?
Die Kampagne gegen Kinderfreie, in der von Medien und Politik das Aussterben der Deutschen und der Zusammenbruch der Sozialsysteme beschworen, der dafür als verantwortlich ausgemachten Generation der Babyboomer Egoismus, Materialismus und Verantwortungslosigkeit attestiert und alle Kinderfreien mit der Androhung von Altersarmut durch Rentenkürzungen auf Linie gebracht werden sollten, ist mittlerweile einige Jahre her. 2006 fand sie ihren Höhepunkt, seitdem herrscht Ruhe an der medialen Kinderfreien-Hasserfront. Die Kampagne war besonders aggressiv, die erste ihrer Art war sie jedoch nicht, denn in der Geschichte der Bundesrepublik waren die Deutschen trotz wachsender Bevölkerung offensichtlich schon mehrmals davon bedroht, vom Antlitz der Erde getilgt zu werden, auch wenn diese nationalistische Furcht zunehmend als Sorge um die Rentenkassen getarnt wurde. Bereits im März 1975 titelte der Spiegel »Sterben die Deutschen aus? Mehr Sex – weniger Babys«. Im Januar 1979 beschäftigte sich ein zweiteiliges Zeit – Dossier mit der Frage »Warum die Deutschen sich nicht vermehren wollen«. Am 4. März 1985 waren laut Spiegel – Titel die »Renten in Gefahr. Die Last wird zu groß«. Am 30. August 1999 machte das gleiche Magazin eine »Baby-Lücke« aus und prognostizierte – alles andere als zutreffend, wie sich herausgestellt hat – für 2010 eine Bevölkerungsgröße von 77 Millionen. Da die renitenten Deutschen offensichtlich immer noch nicht spuren wollten, wurde der Ton in den Folgejahren deutlich drohender: In der Zeit vom 14. August 2003 fragte Susanne Gaschke: »Wo sind die Kinder?« und beantwortete die Frage gleich selbst: die Kinder fehlen, weil wir uns im »Land der Egoisten« befinden. »Kein Nachwuchs, keine Renten«, drohte sie. Freundlicherweise
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