King of the World
zurück, tragen wir’s jetzt gleich aus«-Getue, die eingebildete Vendetta. Manche, Joe Frazier etwa, nahmen ihm diese Auftritte noch jahrelang übel; besonders Frazier ging es sehr nahe, daß Ali ihn einen dummen Tom nannte und ihn als den Kämpfer der »weißen Machtstruktur« brandmarkte. Andere, die selbstbewußter waren oder es einfach toll fanden, mit dem berühmtesten Sportler der Welt in einem Atemzug genannt zu werden, machten gute Miene; sie waren glücklich und wurden gut dafür bezahlt, die Folie abgegeben zu haben.
Doch Alis Wut auf Patterson war echt, sie steckte tief in ihm drin, auch wenn sie in humoriger Form daherkam. Patterson sah sich nach und nach tatsächlich als der christliche Retter des Boxens. Ali hatte einen Kampf gegen Patterson für den 22. November 1965 in Las Vegas vorgesehen, doch schon lange vorher hatte Patterson gezeigt, wie gern er die Rolle des Erlösers spielen wollte. In der
Sports Illustrated
vom 19. Oktober 1964 verfaßte er, zusammen mit seinem engen Freund Milton Gross von der
New York Post
, den ersten von drei Artikeln, in denen er seine Position darlegte. Er schrieb:
Ich bin ein Neger und stolz darauf, aber ich bin auch Amerikaner. Ich bin nicht so dumm, um nicht zu wissen, daß die Neger nicht alle Rechte und Privilegien haben, die alle Amerikaner haben sollten. Ich weiß, daß wir sie eines Tages bekommen werden. Gott hat uns alle erschaffen, und was Er getan hat, ist gut. Alle Menschen – weiße, schwarze und gelbe – sind Brüder und Schwestern. Das wird Anerkennung finden. Es wird nur Zeit brauchen, aber es wird nie kommen, wenn wir so denken wie die Black Muslims. Statt Liebe und Integrationpredigen sie Haß und Separation. Sie predigen Mißtrauen, wo es doch um Verstehen geht. Clay ist so jung und wurde von den falschen Leuten so in die Irre geleitet, daß er nicht erkennt, wie weit wir schon gekommen sind und wieviel Schaden er angerichtet hat, indem er den Black Muslims beigetreten ist. Ebensogut hätte er dem Ku-Klux-Klan beitreten können …
Einen Brief werde ich immer in Erinnerung behalten, weil er mir gezeigt hat, wie Böse zu Gut werden und Mißverständnis zu Verständnis werden kann, indem man anständig lebt. Er war von einem Mann, der im Süden ein Restaurant besitzt. Er schrieb mir, daß er Neger nie habe leiden können, aber nachdem er gelesen habe, wie ich mich als Champion benahm, habe er seine Haltung geändert. Er sagte, ich könne mit jedem, wie ich wollte, zu ihm in sein Restaurant kommen und mich auf eine Tasse Kaffee hinsetzen, und er würde sich zu uns setzen. Von nun an, sagte er, wolle er jedermann bedienen. Gewiß, eine Kleinigkeit, und es mag von ihm auch herablassend klingen, aber ich finde es dennoch wichtig … Würde dieser Mann Clay als Angehörigem der Black Muslims schreiben? Ich glaube nicht.
Pattersons Sehnsucht, von Leuten aus einer niedrigeren Schicht anerkannt zu werden, fand Ali erbärmlich. Für ihn war es so, als wäre Patterson dankbar für die herablassendste Behandlung, die man sich nur denken konnte. Patterson war der gequälte Junge aus Bedford-Stuyvesant, der von freundlichen Weißen gerettet und angenommen worden war: von Eleanor Roosevelts Wiltwyck-Schule, von Cus D’Amato, von Präsident Kennedy. Alis Weigerung, um Akzeptanz zu betteln, reflektierte die neue, von Malcolm X verbreitete Einstellung. Dabei wäre es aber mehr als herablassend,Patterson einfach abzutun. Ebenso wie Bundini in dem Restaurant in Yulee wollte er nur wie ein Mensch behandelt werden, bedient werden und, wenn ihm dies verweigert wurde, seinem Groll Ausdruck verleihen. Patterson lediglich als Jammerlappen abzutun würde bedeuten, die gesamte Bürgerrechtsbewegung, wie sie von Martin Luther King verstanden wurde, abzuqualifizieren. Letzten Endes war der gewaltlose Widerstand viel effektiver als alles, was die Nation of Islam und andere nationalistische Gruppen versuchten – und nicht weniger gefährlich. James Baldwins 1962 erschienenes Buch
The Fire Next Time (Hundert Jahre Freiheit ohne Gleichberechtigung)
war auch deshalb so brillant, weil es die »Nation« nicht als besonders effektive politische Gruppierung bezeichnete, sondern als ein Symptom anhaltender Unterdrückung und als Warnung, daß beschränkte gesellschaftliche Veränderungen zu einem Großbrand führen würden – der dann auch schon bald kommen sollte.
Dennoch war das Bemerkenswerte an Patterson, wie sehr er sich berufen fühlte, Ali zu schlagen, nicht einfach nur, um
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