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Klemperer, Viktor

Klemperer, Viktor

Titel: Klemperer, Viktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Tagebücher
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Trauergesellschaft herausströmte, darunter auffällig vergnügt und lachen[d] ein paar alte Herren (Hurra, wir leben!). M. erzählte, dass * * Sussmanns längst Dissidenten 1 sind, dass aber Wally schon seit vielen Jahren und nicht etwa erst in ihrer Krankheit fest an Gott und unsterbliche Seele geglaubt habe und zwar unter dem Einfluss einer Freundin in specifisch protestantischer Form mit Bibellektüre. Sie habe auch den Tod als solchen nicht gefürchtet, sie hätte nur so gerne noch ein paar Jahre gelebt und das Ende des dritten Reiches erlebt .. Sussmann ist ein alter und gebrochener Mann. * Lotte sagte mir, sie fürchte so sehr für ihn, weil Depressionen und Selbstmord in seiner Familie mehrfach vorgekommen seien. Sie hat ihre Stellung als Ärztin an einer Schweizer Irrenanstalt aufgegeben und will theoretisch-publizistisch arbeiten und bei dem * Vater bleiben. Alles private Leid ist tausendfach verschärft und vergiftet durch die politischen Zustände, die beiden andern * * Sussmanntöchter müssen im Ausland leben ... S. nahm sich sehr zusammen. Er fragte mich nach meinen Arbeiten. Zum Thema Sprache sagte er, ich solle auf das Wort DYNAMISCH achten. Als Arzt sagt er habe r er nicht wenig zu tun. Die Belästigungen seien jetzt gemässigt, ja man soll sich sogar um die Rückkehr einiger emigrierter Mediciner bemühen, weil es für den kommenden Krieg an Ärzten fehle. Und * Marta berichtete von dem Fliegergeneral * Milch, 2 der eine arische * Mutter und einen jüd. * Vater habe: er gebe an, seine Mutter habe ihn im Ehebruch von einem Arier empfangen. – Ich konnte die Peinlichkeit nicht ablehnen, zurück mit * Änni zu fahren, deren Auto diesmal den * * * * Sussmanns überlassen wurde, und die selber ein Taxi dort hatte. Sie nahm mich bis zu ihrer alten Wohnung mit und zahlte dem Chauffeur bis zum Anh. Bhf. Es war mir gräulich, aber wie hätte ich das abwenden solle[n]? Es war keine Zeit zu Erklärungen. * Änni selber gealtert schwerhörig, stark bewegt, dazu von einer Grippe gequält, beherrscht, aber sozusagen mürrisch weinerlich im Ton. * Ihr Ältester 3 studiert in USA Technik, ihr * Peter, 4 den ich nie gesehen habe, ist jetzt acht Jahre, sie selber 51. Wäre mir der nicht noch so spät geschenkt worden, ich hätte sicherlich Schluss gemacht ...
    Sie fragte nach meinen Arbeiten. Warum veröffentlichst Du nichts in Amerika? Ich sagte: Ich warte. Sie: Worauf? Ich sagte etwas erregt und mit einem vielleicht etwas theatralischen Ton und Blick: Auf mein Vaterland, ich habe kein anderes! Sie einigermaßen erstaunt und beinahe erfreut: Ach, Du denkst noch ..? Und: Ich will ja auch nicht auswandern. Und * Georg, ihr Ältester denkt ja G. s. D. ebenso ... Im Ganzen hatte ich den Eindruck, als ob niemand bei uns mehr auf einen Umschwung zu hoffen wagt. Es halte sich ja doch schon so lange in Russland und Italien, sagte * Sussmann, und die Zusammenstellung machte seiner Vernunft Ehre ... Dies waren die trostlosesten Stunden, die ich je in Berlin verlebt habe ... Auf Hin- und Rückfahrt klammerte ich mich an die * Fénelonmonographie von * Janet. 1 Ich möchte so unendlich gern mein Buch zuende führen und die Sprache des dritten Reichs und die Vita mea. 2 Und so unendlich gern diese Zeit überleben. Aber mein Herz ist sehr schlecht. Und * E.s Nerven lassen sehr nach. Aber es war ein grosses Glück nach Hause zu kommen und sich sehr zu lieben.
    Ich habe * Lilli gebeten durch ihre Freunde bei der uruguayischen Gesandtschaft an die japanische Gesandtschaft heranzukommen und mir da Verbindung zu schaffen. Die Japaner sollen jetzt allerhand deutsche Wissenschaftler an ihre Hochschulen oder Colleges ziehen. Das führt zu dem Abend bei * Frau Schaps an * Wallys Todestag. Dort war eine kleine Gesellschaft. Ich sprach viel mit * Spiegelberg und seiner jungen * (zweiten) Frau, einer Schweizerin und * Mary Wigman-Schülerin. 3 * Sp. will nach Indien, bewirbt sich viel und ist zu diesem Zweck viel im Ausland und auf Congressen gewesen. Er sagt: nur Beziehungen, nur persönliches an die Leute herangehen schaffe eine Position. Er brachte mich auf Japan. Er brachte mir auch einen Gruss von * Tillig, 4 der meinen Brief im Vorjahr unbeantwortet gelassen hat. * T. schreibe niemandem. (Er sitzt in USA. Er sage schriftliche Bewerbungen hätte[n] gar keinen Zweck. Nach USA müsse man mittellos, womöglich hungernd und abgerissen, am besten aus dem Gefängnis kommen (oder mindestens so tun, als ob). Nur dann, aber dann auch sicher

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