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Klemperer, Viktor

Klemperer, Viktor

Titel: Klemperer, Viktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Tagebücher
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Schluss erhalten: Ja Deutschland! Das braucht nicht zu verzweifeln. Aber der das sagt, ist Ross, und Unamuno zeigt nur mit Stolz die deutschen Übersetzungen seiner Bücher.
    Das vierte * Rousseaucap. zu schreiben begonnen, aber heute so total müde, dass keine Zeile kommt.
    Ich werde den notwendigen Weihnachtsbrief an * Betty Kl. schreiben. Und Abends vielleicht endlich wieder einmal Kino.
     

 
    13. December, Sonntag Abend.
    Am Donnerstag im Kino Der Bettelstudent. 2 Entzückende Musik, auch gutes Spiel von * Kampers 3 als Oberst und * Ida Wüst als Gräfin-Mutter. Aber ich kann mit solcher Operettenkomik und Kostümgeschichte nicht mehr recht mit. Dabei frage ich mich, wieso eigentlich? Unsere heutige jazz- und Revuekomik ist doch auch nicht natürlicher.
    Heute über Mittag eine kleine Winterfahrt bis Kipsdorf. Zum erstenmal auf vereister Strasse bei Schmiedeberg ins Schleudern gekommen. Abscheuliches Gefühl.
    Im * Gustloffprozess in Chur sagte der Mörder * Frankfurter, er habe gezögert, als ihm * Frau G. geöffnet habe, ihm sei zum erstenmale der Gedanke gekommen, ein verheirateter Mann, ein Mensch ... Dann habe[ r ] er * G. am Telephon sprechen hören: Diese Schweinejuden!, und nun habe er geschossen. Das ist die genaueste Transposition der * Ponsard schen * Charlotte Corday 4 : Grand Dieu! sa femme! 5 ... on l aime! 6 und Va toujours, c est pour la guillotine 7 ...
    Sprache des 3. Reichs: Im vorigen Sommer Erzeugerschlacht. Jetzt liest man in Weihnachtsanzeigen: Käuferschlacht. – Cigarillos heissen: Sportnixe, Sportstudent, Sportbanner. (Wohl auf Olympia zurückzuführen.[)]
    In der neulich gekauften Filmzeitung fiel mir das ungeheure Kriechen vor der Regierung auf. Eine Schauspielerin beschreibt ganz kurz ihr[ r ]en Lebensweg. Darin darf der Satz nicht fehlen: Ich hatte das Glück, den * Führer auf seiner Fahrt zum Stadion zu sehen.
     

31/XII
    Habe ich schon die nationalsozialistische Ausrichtung der Wissenschaft notiert?
    Der * Dresdener Oberbürgermeister 8 hat angeordnet, daß der Jüdenhof (ebenfalls) Neumarkt heissen solle. Man brauche nicht daran erinnert zu werden, daß hier einmal eine Synagoge stand. (Komisch eigentlich – denn Jüdenhof klingt doch sehr ghettohaft u. nicht philosemitisch.)
     
    Donnerstag, Silvester 1936
    An drei Abenden seit Weihnachten war * Johanna Krüger 1 bei uns, die Studienfreundin der Münchener Zeit, die wir Jahrelang nicht gesehen haben. Sehr gealtert (über die Sechzig hinaus), sehr nervös, aber immerhin agil. Sie ist Lehrerin an einer Limburger Privatschule, mit allerlei Juden befreundet, ehedem eine Intime * Fritz Mauthners, frei im Denken, Gegnerin des dritten Reichs, aber doch von einer ziemlichen lauen Gegnerschaft erfüllt und ohne den Abscheu, der für einen redlich denkenden Menschen notwendig ist. Wir haben uns nicht gerade gestritten, aber auch nicht innig verstanden. Ich bin ganz froh, dass sie den zweiten Teil ihrer Ferien in Berlin verbringt. Die alten Gemeinsamkeiten ( * Muncker, 2 * Hermann Paul, 3 * Albert Hirsch, von dem gerade ein Brief kam – er ist an einer jüdischen Schule in Frankfurt untergekommen[)] banden nicht mehr fest genug. Wer kein Totfeind der N.s ist, kann mir nicht Freund sein.
    Weihnachten verbrachten wir ganz still. Wir fuhren nach Wilsdruff und kauften in der dortigen Gärtnerei auf Abruf im Frühjahr eine Tanne, nahmen uns auch ein Weihnachtsbäumchen mit Wurzelballen im Wagen mit, das heute zum letzten Mal im Zimmer brennen und nachher ausgepflanzt werden soll. Leider macht der Bock in letzter Zeit wieder mehr Sorgen als Vergnügen; Armut kommt eben von der Povertät; er ist alt gekauft, erfordert nun immer wieder Reparaturen, und * Georgs finanzielle Hilfe hat nicht lange vorgehalten. (Fraglich, ob wir im Januar die Iduna bezahlen können.)
    Sehr lästig in diesen Wochen die viele [K]üchenarbeit und sehr zum Schaden meines 18. Jh.s. Ich wollte bis Weihnacht das dritte vierte * Rousseaucapitel schaffen und habe mühselig gestern den Contrat social erledigt. So wird sich die Arbeit am Rousseau bis in den März hinschleppen. Die Abschaffung der * Frau Lehmann trifft mich hart.
    Es kamen Weihnachtsbriefe von * Isakowitz, denen es passabel geht, von * * Georgs Ältestem, der vor der Naturalisation in England steht und * * zwei Söhne von 7 und 9 Jahren 4 in englischen Schulen hat, von * Hatzfeld, der sich wie ich vergeblich um einen Auslandposten bemüht – wer nimmt einen Romanisten aus Deutschland?
    Die 15jährige *

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