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Klex in der Landschaft

Klex in der Landschaft

Titel: Klex in der Landschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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Tagesanbruch dazu käme, standen allerdings überhaupt nicht gut. Das grausame Kindermädchen lag laut schnarchend auf dem Sofa im Wohnzimmer. Ein Blick auf sein haßerfülltes Gesicht hatte sie gründlich davon überzeugt, daß sich die Ungezogenheit ihres bösen Buben während ihrer Abwesenheit keineswegs gelegt hatte. Offenbar war die Politik fortgesetzter Zucht genau das richtige. Das peitschende Kindermädchen begab sich in die Küche und nahm sich die Flasche Würzbrandy vor. »Es kann nichts schaden, wenn ich mir ein bißchen Mut antrinke«, dachte sie und goß sich ein großes Glas ein. Als sie es ausgetrunken hatte, war ihr völlig entfallen, warum sie es sich genehmigt hatte. »Ein bißchen Spaß hat noch keinem geschadet«, murmelte sie und brach auf dem Sofa zusammen.
    Ein bißchen von dem, was Sir Giles sonst Spaß machte, schadete ihm doch, und nicht zu knapp. Außerdem konnte man nach acht Stunden nicht mehr von »ein bißchen« sprechen. Während die Uhr auf dem Kaminsims die Stunden schlug, wanderten Sir Giles’ Gedanken von einfachem Mord zu immer gräßlicheren Varianten langsamer Folterung, und zwischendurch überlegte er, was er verdammt noch mal wegen Maud unternehmen könnte. Anscheinend blieb ihm nicht viel übrig, außer seinen Sitz im Parlament aufzugeben, aus all seinen Clubs auszutreten, sein Vermögen zu Geld zu machen und schleunigst nach Brasilien zu fliegen, wo es kein Auslieferungsabkommen mit England gab. Dabei war nicht einmal gesagt, daß er irgendwelche Vermögenswerte besaß, die er zu Geld machen konnte. Gegen vier Uhr morgens schwante ihm, daß einige der von ihm unterzeichneten Schriftstücke eine verblüffende Ähnlichkeit mit Zertifikaten zur Aktienabtretung gehabt hatten. Zum fraglichen Zeitpunkt war er nicht in der Verfassung gewesen, sie sich sorgfältig anzusehen. Nicht daß sich seine Verfassung inzwischen gebessert hatte, aber wenigstens sah er sich nicht mehr mit der Drohung konfrontiert, eines so qualvollen Todes wie weiland Eduard der Zweite zu sterben. Von seinem Martyrium erschöpft, verfiel er schließlich in einen komaähnlichen Zustand, aus dem er ab und an erwachte, um sich ein neues und immer gräßlicheres Los für die vergeßliche alte Schnapsdrossel im Nebenzimmer auszumalen. Mrs. Forthby wachte verkatert auf. Taumelnd stand sie vom Sofa auf und ließ sich ein Bad ein; doch erst, als sie sich abtrocknete, fiel ihr Sir Giles wieder ein. »Oje, wird der wütend sein«, dachte sie, ging in die Küche und machte eine Kanne Tee. Das Tablett trug sie ins Schlafzimmer und stellte es auf das Nachttischchen. »Hopp, hopp aus den Federn, Morgenstund hat Gold im Mund«, verkündete sie vergnügt und band die Riemen los. Sir Giles spuckte den Schnuller aus. Auf diesen Augenblick hatte er zwölf Stunden lang gewartet, doch aus den Federn hopsen war für ihn nicht drin. Er rutschte seitlich vom Bett und kroch wie eine an chronischer Arthritis leidende Krabbe auf Mrs. Forthby zu. »Nein, nein, du ungezogener Junge«, sagte die über seine Verfärbung entsetzte Mrs. Forthby. Sie floh aus dem Zimmer und schloß sich im Bad ein. Dabei war ihre Eile überflüssig. Sir Giles hatte sich in der Schlafzimmertür verkeilt, und eins seiner Beine war unentwirrbar in das Kabel einer Stehlampe verknotet. *
    In seinem Büro im Regionalen Planungsamt kamen dem Autobahnkontrolleur für Mittelengland Bedenken wegen seines Plans, Lady Maud der Erpressung zu überführen. Das verflixte Weib hatte in der Telefonzentrale angerufen und die Nachricht hinterlassen, sie komme nach Worford und wolle ein vertrauliches Gespräch mit ihm führen. Ihren Wunsch nach Vertraulichkeit verstand Dundridge zwar sehr gut, teilte ihn aber nicht. Er hatte Lady Maud im Übermaß privat und vertraulich genossen und hegte nicht die Absicht, dieses Erlebnis zu vertiefen. Andererseits würde sie ihm im Beisein anderer wohl kaum mit Erpressung drohen. Unruhig marschierte Dundridge in seinem Büro auf und ab und dachte über einen Ausweg aus diesem Dilemma nach. Am Ende beschloß er, Hoskins als Leibwächter einzusetzen. Er bestellte ihn zu sich. »Durch die Sprengungen haben wir die alte Kuh kopfscheu gemacht«, sagte er.
    »Was haben wir gemacht?« wollte Hoskins wissen. »Sie kommt heute vormittag zu einem Gespräch mit mir her. Ich will, daß Sie anwesend sind.«
    Hoskins hatte da seine Bedenken. »Ich weiß nicht recht«, murmelte er. »Übrigens haben wir mit den Sprengungen noch gar nicht

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