Knochengrube: Mystery-Thriller (German Edition)
zum anderen, mit seinem üblichen Gesichtsausdruck sanften Verstehens, der so gar nicht zu einem Kleinkind passte.
»Ich hätte vorher anrufen sollen«, murmelte Carter, »um dir von Del zu erzählen.«
Beth zuckte die Achseln. Sie war daran gewöhnt, dass Carter seine Freunde mit nach Hause brachte. Einst war es Joe Russo gewesen, von dem Joey seinen Namen hatte. Jetzt war es Del.
»Und wann bekomme ich den Jungen zu sehen?«, rief Del laut. »Ich bin nicht den ganzen Weg hier rausgefahren, um weiter mit Carter abzuhängen.«
Carter legte den freien Arm um Beth’ Schultern und führte seine Familie zur Treppe.
Del wartete unten, eine Hand auf Champs Kopf, in der anderen ein Heineken. »Ihr seid ja richtig gesprächig«, sagte er.
25. Kapitel
Obwohl Reggie den Umschlag von diesem einen Wachmann, der einmal mit Stan Sadowski hier aufgetaucht war, immer noch nicht übergeben hatte, hatte er die fünfzig Kröten bereits ausgegeben. Sadowski hatte ihm einmal einen Gutschein für einen freien Drink in einem Laden namens Blue Bayou geschenkt, und nach dem Drink hatte Reggie sich für das Geld einen Lapdance gegönnt.
Wegen des Umschlags wartete er immer noch auf den richtigen Moment, um ihn Mr al-Kalli zu geben. In einem Karriereratgeber hatte er gelesen, dass man, wenn man weiterkommen wollte, dafür sorgen musste, dass man dem Boss auffiel. Doch bis jetzt hatte sich noch keine Gelegenheit ergeben. Einmal war der Wagen so schnell herausgeschossen gekommen, dass er gerade noch rechtzeitig das Tor aufbekommen hatte, und die letzten paar Male musste al-Kalli durch den Hintereingang, drüben in der Nähe der Reithalle, gegangen und gekommen sein.
Aber heute schien sein großer Tag sein. Die Scheinwerfer der Mercedes-Limousine näherten sich rasch und krochen den Berg hinauf, und Reggie zog den Umschlag aus der Tasche. Ein paarmal hatte er mit sich gerungen, ob er ihn unter Wasserdampf öffnen und nachsehen sollte, worum es in dem Brief ging, aber er hatte Angst, dass al-Kalli das spitzkriegen könnte. Und nach allem, was er gehört hatte, war al-Kalli kein Typ, mit dem man sich anlegen wollte. Allein diese verdammten Pfauen mit ihrem Geschrei und Gekreische reichten, dass er hier nachts Zustände kriegte.
Als der Wagen stehen blieb, trat Reggie aus dem Pförtnerhaus und hob grüßend eine Hand zu Jakob, dem Fahrer. Die getönte Scheibe glitt langsam nach unten, und Reggie sagte: »Ich habe etwas für Mr al-Kalli.«
Verhandeln Sie immer mit dem Boss persönlich, niemals mit einem Mittelsmann, hatte das Ratgeberbuch empfohlen.
»Geben Sie es mir«, sagte Jakob und streckte die Hand aus.
Reggie versuchte, in den Fond der Limousine zu spähen, aber darin war es dunkel, und er konnte absolut nichts erkennen.
»Meine Instruktionen lauten …«
Jakob öffnete die Tür, und Reggie musste zurückweichen, um Platz zu machen.
»Geben Sie es mir. Was immer es ist. Jetzt.«
Drohend überragte Jakob ihn, seine Augen waren so schwarz wie sein Hemd.
Reggie reichte ihm den Umschlag, und Jakob wendete ihn in der Hand vor und zurück. »Wer hat ihn gebracht?«
»Einer von den Jungs von Silver Bear Security.«
»Wann?«
»Hm, ich weiß nicht genau.« Er wollte nicht zugeben, dass er keine Möglichkeit gefunden hatte, ihn Mr al-Kalli sofort zu geben. »Vor einem Tag oder so.«
»Und Sie haben bis jetzt gebraucht, um ihn abzugeben?«
Reggie war sich nicht sicher, was er sagen sollte. Was würde dieser Karriereratgeber ihm empfehlen?
Jakob stieg wieder in den Wagen, und als die Torflügel aufschwangen, rief er durch das immer noch geöffnete Fenster: »Wann haben Sie heute Feierabend?«
»Morgen früh um sechs.«
»Danach brauchen Sie nicht wiederzukommen.«
Der Wagen fuhr an, und Reggie stand da, auf frischer Tat ertappt, bis die zuschwingenden Torflügel ihn fast trafen.
Im Haus wartete al-Kalli geduldig in der Küche, während Jakob den Umschlag ins Licht hielt, daran schnüffelte, um zu überprüfen, ob er eventuell Plastiksprengstoff enthielt, und ihn vorsichtig schüttelte, um sicherzugehen, dass er kein Anthraxpuder oder irgendeine andere Substanz enthielt. Der Brief hatte keine Absender, aber das war zu erwarten gewesen. Jakob ließ Wasser in das Küchenwaschbecken einlaufen und öffnete den Umschlag direkt darüber, bereit, ihn jeden Moment fallen zu lassen.
»Wahrscheinlich ist es nichts«, sagte al-Kalli, nun doch ungeduldig.
Vermutlich hatte er recht, dachte Jakob, als er den Umschlag vorsichtig an
Weitere Kostenlose Bücher